Bündeln für die Agrarwende

Im September wurde das Forschungsinstitut für biologischen Landbau Berlin e. V. (FiBL) eröffnet. Die Arbeitsschwerpunkte des Institutes liegen in Forschung, Beratung und Serviceleistungen rund um den ökologischen Landbau

von VOLKER ENGELS

Eine Spitzenposition beim ökologischen Landbau nimmt Deutschland im Vergleich zu seinen skandinavischen Nachbarn und Österreich sicher nicht ein: Gerade einmal 3,6 Prozent aller Anbauflächen werden ökologisch bewirtschaftet, in Österreich sind es mehr als 8,5 Prozent, in Finnland werden nahezu 7 Prozent der Anbauflächen ökologisch bewirtschaftet. Nachdem Schweinepest und Rinderwahn auch dem letzten Gutgläubigen das Vertrauen in die industrielle Landwirtschaft vergällt haben, mussten zwei Minister wegen schlechten Krisenmanagements ihren Hut nehmen. Die neue Ministerin für Verbraucherschutz, Renate Künast (Grüne), prägte das magische Wort von der Agrarwende als Leitmotiv der Politik. Der ökologische Landbau und die artgerechte Tierhaltung stehen im Zentrum dieser Argrarwende. 20 Prozent der deutschen Landwirtschaft sollen in den kommenden zehn Jahren auf Ökolandbau umgestellt sein.

Um diesem ehrgeizigen Ziel etwas näher zu kommen, wurde im September das Forschungsinstitut für biologischen Landbau Berlin e. V. (FiBL) eröffnet. Partner ist das gleichnamige Institut in der Schweiz. Die Schwerpunkte des Berliner FiBL liegen in Forschung, Beratung und Serviceleistungen rund um den ökologischen Landbau. In enger Zusammenarbeit mit dem Schweizer Schwesterinstitut wollen die Berliner den ökologischen Landbau weiter entwickeln, die artgerechte Tierhaltung und die Qualität biologischer Lebensmittel fördern.

Eine Ursache dafür, dass Deutschland beim Biolandbau lediglich im europäischen Ökomittelfeld positioniert ist, sieht Alexander Beck von FiBL in den fehlenden politischen Rahmenbedingungen der letzten Jahrzehnte: „Es hat früher bei uns nie eine wirkliche politische Unterstützung für ökologische Anbaumethoden gegeben.“ Daher habe sich in Deutschland der Markt sehr langsam und „Stück für Stück“ entwickelt. Der Vorteil: Jenseits von Subventionen gebe es einen organisch gewachsenen Markt für Ökoprodukte und eine „breite Basis bei den Verbrauchern“. Wegen fehlender Anbaukapazitäten würden die Biowaren allerdings vorwiegend aus dem europäischen Ausland importiert. Besonders, nachdem die bislang bioresistenten aber BSE-geplagten Briten ihr Herz für ökologisch produzierte Nahrung entdeckt haben, ist die Nachfrage immens.

Eine wesentliche Aufgabe des neu gegründeten Instituts sieht Beck darin, „genauso wie unsere Schweizer Schwester die Ökoaktivitäten zu bündeln“. In Deutschland gebe es an den Universitäten zwar eine Vielzahl von Forschungsprojekten, diese seien aber „nicht immer praxisnah“, meint der promovierte Ernährungswissenschaftler und Lebensmitteltechnologe. Darum sei es wichtig, „die Erfahrungen aus der Praxis in die Wissenschaft zu übersetzen – und umgekehrt“.

Dass interdisziplinäres Arbeiten bei FiBL Ernst genommen wird, zeigt die Qualifikation der Mitarbeiter: Agraringenieure arbeiten mit Argrarökonomen, Biologen, Lebensmitteltechnikern und Ernährungswissenschaftlern zusammen.

Ein erstes Projekt hat schon vor der offiziellen Gründung von FiBL begonnen: In Zusammenarbeit mit dem Ökodorf Brodowin erforschen die Wissenschaftler etwa, ob man auf homöopathischem Weg die Euterentzündung bei Kühen behandeln kann. Was auf den ersten Blick wenig interessant erscheint, gewinnt bei genauerem Betrachten an Bedeutung für Konsumenten: Bislang werden Kühen mit entzündeten Eutern in der Regel Antibiotika verabreicht, die dann über die Milch in die menschliche Nahrungskette gelangen. Alternative Behandlungsmethoden könnten helfen, die Ökomilch frei von Medikamenten zu halten.

Für das nordrhein-westfälische Landwirtschaftministerium konzipiert und programmiert FiBL ein Internetportal, das die wichtigsten Informationen über den Ökolandbau bündelt. Landwirte, die ihre Höfe auf eine ökologische Bewirtschaftung umstellen wollen, können sich dann über das Internet schnell und vor allem umfassend informieren. Auch Verbraucher, die Fragen rund um Öko haben, hat FiBL als Zielgruppe im Auge.

Das Institut, das sich überwiegend aus Projektaufträgen finanziert, ist als gemeinnütziger Verein anerkannt. Für 100 Euro im Jahr können Interessierte als Vereinsmitglieder die Arbeit des Instituts unterstützen und die Schwerpunktsetzung von FiBL mitgestalten. Außerdem erhalten Mitglieder regelmäßig Informationen über die Arbeit des Forschungsinstitutes für Biologischen Landbau sowie Sonderkonditionen für Publikationen des FiBL Berlin. Dazu gibt es das wonnige Gefühl, bei der Argrarwende tatkräftig mitgeholfen zu haben.