Die Börse, der Krieg und die Angst

Anlegermagazine haben, genau wie die Börse selbst, mit den Kriegsfolgen und einem generellen Leserschwund zu kämpfen. Langsam trommeln sie aber wieder zum Einstieg in den Aktienmarkt. Motto: „Gewinne laufen lassen – Verluste begrenzen“

von THOMAS VOBURKA

„Kaufen, wenn die Kanonen donnern“, rät eine alte Börsenweisheit, und glaubt man den Fachblättern, dann ist es auch diesmal wieder soweit. Die arg gebeutelten Anlegermagazine, denen in der 18-monatigen Baisse seit März 2000 die Leser abhanden gekommen, die Anzeigenkunden pleite gegangen sind, trommeln teils lautstark, teils verhalten zum Einstieg in den Aktienmarkt.

„Zocken mit der Angst“, unter dieser reißerischen Schlagzeile riet Euro am Sonntag (Auflagenschwund –35%) vor einer Woche zum Kauf ausgesuchter Biotechwerte, die wegen der (abflauenden) Milzbrandhysterie jetzt besonders kaufenswert seien. Möglicherweise kommt diese Empfehlung ein wenig zu spät, hat doch der einstige Börsenliebling „Morphosys“ seit dem Tiefststand am 21. September wieder kräftig (322 Prozent) zugelegt.

Waren das noch Zeiten, als der Aktionär von Auflagenrekord zu Auflagenrekord eilte und das Foto des Chefredakteurs Förtsch bis zu 20-mal in der Jubelpostille zu sehen war. Nun, nachdem die Hälfte der Leserschaft abgesprungen ist, gibt man sich etwas bescheidener. Auf der Leserbriefseite hatte man neulich für Rat suchende Anleger, die einst den Empfehlungen des Blattes folgten und jetzt nach dem Schicksal ihrer Hoffnungsträger fahnden, zwar nur wenig Tröstliches parat (Totalverlust), gibt sich jedoch geläutert: Man habe die drohende Baisse zwar als Erster erkannt, jedoch ihre Auswirkungen bedauerlicherweise verkannt. Immerhin hätte man aus den Fehlern gelernt und rät deshalb dringend zum Kauf der „20 besten Aktien vom Neuen Markt“.

Dem Anleger, der sich eventuell noch fragt, ob so viele Firmen in diesem „Geldvernichtungssegment“ der deutschen Börse überhaupt noch gelistet sind, macht man Mut, mit dem schönen Schlagwort der „historischen Kaufchance“.

Branchenprimus Boerse-Online (Auflageverlust –34,8%) sieht die Hausse noch auf „tönernen Füßen“ stehen, doch die Empfehlungen dieses, auf seriös getrimmten Blattes (die Redakteure tragen Fliege zum Anzug), waren halt auch immer ein Flop. Deshalb mutet es bestenfalls komisch an, wenn Chefredakteur Johannes Scherer in seinem Leitartikel die Anleger beschwört: „Gewinne laufen lassen – Verluste begrenzen“.

Nur der Telebörse bleiben die Leser treu, was möglicherweise daran liegt, dass sie nie viele hatte. Vielleicht aber auch daran, dass sie über die besten Schreiber verfügt. Stefan Risse entpuppt sich sogar als regelrechter Poet: „An der Mauer der Angst klettern die Kurse nach oben.“

Fragt sich der Leser dieser Zeilen nun, wie er sich denn nun verhalten – kaufen, halten oder verkaufen – soll, meine Antwort ist klar: KAUFEN, und zwar MICROSOFT.

Nach der Einigung mit der US-Regierung im jahrelangen Rechtsstreit und nachdem es den Redmondern endlich gelungen ist, ein Betriebssystem zu entwickeln, dass nach Expertenmeinung sogar funktioniert, ist die Aktie bereit zu einem Höhenflug. Bis zum nächsten Jahr ist da leicht ein „Verdoppler“ drin. Wenn dann alle vor Neid erblassen, vergessen Sie aber bitte nicht zu erwähnen, von wem Sie diesen „heißen Tipp“ haben.