PRÄSIDENT PUTIN BRINGT WENIG KONKRETES VON SEINEM US-BESUCH MIT
: Die Dividende der Annäherung

Wladimir Putin und George Bush in Texas: Das ist ein Hollywood-Streifen mit einem echten Russen als Hauptdarsteller. Offensichtlich beherrscht der Kremlchef auch das Genre des Rührstücks mit Brillanz. Putin kennt keine Berührungsängste, mühelos gewann er gar die Herzen der protestantischen Fundamentalisten in Texas. In Moskau wird dem Präsidenten nicht nur die orthodoxe Kirche diesen ökumenischen Geist unter die Nase reiben. Putin wird mehr brauchen als die Cowboystiefel, die ihm Bush geschenkt hat, um sich gegen die Rothäute zu Hause zur Wehr zu setzen.

Russlands politische Elite hatte schon vor der Visite des Präsidenten kein Verständnis für dessen abrupten Westschwenk. Wäre er nicht Wladimir Putin, der ehemalige Geheimdienstchef, der auch nach der Kurskorrektur auf 70 Prozent Zuspruch in der Bevölkerung bauen kann – dann hätte das Establishment längst eine Untersuchung auf Zurechnungsfähigkeit initiiert. Putin pokert: nach innen wie nach außen. Denn viel hat der Kremlchef nicht mit nach Hause gebracht. Ein paar Raketen weniger und die vorläufige Zusage der USA, den ABM-Vertrag nicht doch einseitig aufzukündigen? Hoffnungen, Washington werde die Handelsbeschränkungen gegenüber Russland aufheben und dessen Aufnahme in die Welthandelsorganisation forcieren? All das sind vage Aussichten, die es den Kritikern in Moskau leicht machen. Doch Putin hat keine andere Chance, um sein Land auf einen grünen Zweig zu bringen. Die Zärtlichkeit, mit der der Kremlchef die Lehne des Ford Pick-ups streifte, sagte alles: Es gilt aufzuholen, zu modernisieren, koste es auch liebgewonnene Mythen. Dieses Ziel lässt sich nicht gegen den Westen erreichen.

Der Konfrontationskurs der 90er-Jahre war ein Nullsummenspiel, das regelmäßig in eine bittere Erfahrung mündete: Wie laut das Gezeter im Kreml auch sein mochte, der Westen zog seinen Stiefel durch. Die Dividende der Annäherung, so Putins Kalkül, fällt langfristig üppiger aus. Er hält sich an Tony Blair: Trittbrettfahrer haben immer noch mehr Einfluss als Querulanten. Irgendwann wird vielleicht auch noch ein Bonus nachgereicht. Ob das indes auch für Russland gilt? Wie gesagt: Putin pokert. KLAUS-HELGE DONATH