Allein mit der berühmten Ukulele

Wenn die Ansagen, die Länge der Songs locker überschreiten: Im Haus der Berliner Festspiele boten Götz Alsmann & Band gutes, altmodisches Hochleistungs-Entertainment, durchchoreographiert bis zum allerletzten Versprecher

In der Pause kann man ein Spiel spielen: Wer von denen, die in rekordverdächtiger Geschwindigkeit das Foyer des Hauses der Berliner Festspiele voll qualmen, wer von denen wäre wohl auch dann hier, würde unser heutiger Gastgeber in seiner Freizeit keine beliebte Fernseh-Talkshow moderieren? Der distinguierte Anzugträger im mittleren Alter, der seiner Begleiterin im dunklen Kostüm vertraut ins Ohr flüstert? Wahrscheinlich. Die beiden überaus langhaarigen Freundinnen Anfang Zwanzig, die ihre Pullover selbst gestrickt zu haben scheinen? Wohl eher weniger. Die beiden Seniorenpärchen, die sich in dezentem Sächsisch über Medikamente mit gefährlich klingenden Namen unterhalten? Bestimmt nicht.

Götz Alsmann aber ist bekannt aus Funk und TV, er hat gar für „Zimmer frei“ den Grimme-Preis gewonnen. So spielt der „Hannibal Lecter des deutschen Jazz-Schlagers“, wie er vom eigenen Percussionisten angekündigt wird, nicht etwa nebenan im lauschigen BKA vor einer Handvoll Connaisseure, die seine archäologischen Leistungen zu schätzen wissen, sondern füllt gleich an zwei aufeinander folgenden Abenden die ehemalige Freie Volksbühne bis auf den letzten Platz.

Dieses Publikum will unterhalten werden und es bekommt gutes, altmodisches Hochleistungs-Entertainment. Im Gegensatz zum Stegreif-Talk von „Zimmer frei“ ist ein Abend mit Götz Alsmann & Band durchchoreographiert bis zum allerletzten Versprecher. Wenn Alsmann bei den Zugaben die Innenausstattung der Volksbühne als „Denkmal des unbekannten Laubsägearbeiters“ diskretitiert, dürfte das die erste Improvisation an diesem Abend gewesen sein. Bei den Standards aus alten Filmen, aus denen sich das Programm „Filmreif“ zum großen Teil zusammen setzt, und den wenigen Eigenkompositionen sitzt jeder Ton ganz unangestrengt an der richtigen Stelle und jeder Anzugknopf sowieso. Ob Samba oder Mambo, Chanson oder Schlager, Alsmann interpretiert die in Vergessenheit geratene Vergangenheit des deutschen Pop als jazziges Easy Listening. Ob mit der „humororientierten Herrenreisegruppe“ (Alsmann), die als Band fungiert, oder allein mit der berühmten Ukulele: Alsmann beherrscht die Klaviatur der Bühnendramatik fast noch besser als das Knüpfen eines Krawattenknotens.

In den Ansagen, von denen die meisten die Songlänge locker überschreiten, erfahren wir, dass Wolfgang Amadeus Mozart seinen Tod nur getürkt, nach Wyoming ausgewandert und dort die Country-&-Western-Musik erfunden hat, oder dass der Mord am unverwundbaren Siegfried verhindert hätte werden können, wenn der Schildknappe und Modelleisenbahnfan Jonathan nicht von einer gewissen Brünhilde mit einem Prachtstück aus Märklin-Schienen und Faller-Häusern davon abgehalten worden wäre, den germanischen Helden zu warnen. Solcherlei Geschichten trägt Alsmann mit allem vor, was das rhetorische Arsenal zu bieten hat vom nahezu verstummten Flüstern bis zum verbalen Maschinengewehr, mit dem er sonst die Regeln des Bilderrätsels von „Zimmer frei“ runter zu rasseln pflegt. Die Band aus altgedienten Musikprofis dient dabei als nahezu klassischer Chor, der mit Grimassen und Gesten die Bemühungen des Vorturners kommentiert.

Wenn er anschließend mit überdeutlichem Augenzwinkern versichert, wie schön es in Berlin mit uns doch gewesen sei, soll man ihm das nicht glauben. Die Versicherung, das Publikum ist das Beste aller Zeiten und dieser Abend der allerschönste, gehört ebenso unverzichtbar zum perfekt inszenierten Handwerk wie die stets akkurat frisierte Tolle des Entertainers.

THOMAS WINKLER