Ampel bewegt sich langsam

SPD, FDP und Grüne konnten sich in der dritten Koalitionsrunde nicht auf Entscheidungen in der Haushaltskonsolidierung einigen. Gewerkschaften kündigen Sternmarsch gegen Sparkurs an

von ANDREAS SPANNBAUER

Trotz schleppender Koalitionsverhandlungen halten SPD, FDP und Grüne an ihrem Zeitplan für die Regierungsbildung fest. „Die Wahl des neuen Senats am 13. Dezember lässt sich nicht noch weiter nach hinten verschieben“, sagte der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder am Samstag im Anschluss an die dritte Verhandlungsrunde im Roten Rathaus. Die letzten Dissense würden, so Strieder, wie üblich in einer Nachtsitzung beseitigt werden: „Irgendwann kommt diese Nacht, und dann ist alles getan.“

Zuvor hatten sich die Koalitionäre in den fünfstündigen Verhandlungen nicht auf Eckpunkte für die Konsolidierung des Landeshaushaltes verständigen können. „Es wurden keine Entscheidungen getroffen“, teilte Strieder mit. Die grüne Landeschefin Regina Michalik sprach zwar von überraschenden Annäherungen in Detailfragen. Dennoch sind nach Ansicht des FDP-Landesvorsitzenden Günter Rexrodt in den Bereichen Bildung, Verkehr und Personal noch „riesige Klippen zu überwinden“.

Damit ist noch immer unklar, ob die Personalkosten im öffentlichen Dienst bis 2006 auf dem jetzigen Niveau von 14 Milliarden Mark gehalten werden oder auf 13 Milliarden gesenkt werden sollen. Unter Berücksichtigung von Tarifsteigerungen und Inflation sind dafür Kostensenkungen in Höhe von 1,6 bzw. sogar 2,5 Milliarden Mark notwendig. SPD-Chef Strieder deutete jedoch an, dass wegen der sinkenden Steuereinnahmen des Landes vermutlich eine Reduzierung der Kosten auf 13 Milliarden nötig sein werde.

In welchen Bereichen gespart werden soll, blieb in vielen Punkten strittig. So lehnen die Sozialdemokraten den Vorschlag der FDP ab, die Arbeitszeit für Lehrer um eine Stunde zu verlängern. In der SPD setzt man vielmehr auf die Reduzierung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, um Entlassungen zu vermeiden. Die Sozialdemokraten sehen vor allem in den sinkenden Schülerzahlen eine Einsparmöglichkeit. Durch die Schließung von schlecht besuchten Schulen könnten Kosten reduziert werden, ohne pädagogische Verschlechterungen zu provozieren.

Über einen weiteren kontroversen Punkt, die Privatisierung von Landesvermögen, ist bisher noch überhaupt nicht gesprochen worden. In der SPD macht man für das geringe Tempo der Verhandlungen vor allem die Liberalen verantwortlich. Die FDP sei nicht in der Lage, ihre Konsolidierungsvorschläge qualifiziert zu untermauern. Im Anschluss an die Gespräche hatte sich vor allem der FDP-Fraktionschef Rexrodt mit radikalen Forderungen profiliert. „Wir brauchen einschneidende Maßnahmen, die wehtun und provozieren“, forderte der ehemalige Bundeswirtschaftsminister mit Blick auf Arbeitszeit und Einkommen im öffentlichen Dienst.

Über die Frage betriebsbedingter Kündigungen nach Ablauf der Beschäftigungsvereinbarung im Jahr 2004 konnte ebenfalls keine Einigung erzielt werden. Die Grünen lehnen diese ab und wollen statt dessen mit den Gewerkschaften einen Pakt über die Flexibilisierung der Arbeitszeit aushandeln. Die Sozialdemokraten stehen betriebsbedingten Kündigungen aus arbeitsrechtlichen Gründen skeptisch gegenüber, wollen sie jedoch als letztes Mittel nicht völlig ausschließen.

Die verbliebenen strittigen Fragen werden die potenziellen Koalitionäre in den Facharbeitsgruppen erörtern und darüber am 26. November in der großen Koalitionsrunde abstimmen.

Im Laufe dieser Woche wollen die SPD, FDP und Grüne auch mit den Gewerkschaften zusammentreffen, die bereits heftig gegen die geplanten Einsparungen im öffentlichen Dienst protestieren. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat für den 5. Dezember alle Beschäftigten des Landes zu einer Großdemonstration aufgerufen. „Wer so mit uns umgeht, wird sich auf mehr als nur Demonstrationen einstellen müssen“, warnte der Ver.di-Sekretär Burkhardt Thiemann. Bei der Summierung aller Sparpläne rechnete Thiemann mit dem Abbau von bis zu 60.000 Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst. Strieder betonte dagegen, dass es zu den „Maßnahmen, die nicht nur Freude bereiten werden“, keine Alternative gebe: „Diese Koalition wird sich daran messen lassen müssen, ob sie unseren Kindern eine Stadt voller Schulden hinterlässt oder nicht.“