„Wir entwickeln bisher keine Büros“

Marilyn Jordan Taylor, Chefin der zuständigen Architekturfirma Skidmore, Owings & Merrill, über den Neuentwurf für das World Trade Center, die damit verbundenen Schwierigkeiten und die Problematik eines Denkmals

taz: Mrs. Taylor, wie geht die Arbeit am Neuentwurf voran?

Marilyn Jordan Taylor: Wir von SOM und speziell mein Kollege David Childs, der den Sears Tower entworfen hat, arbeiten mit der New Yorker Architekturfirma Cooper Robertson zusammen, die die Neubausiedlung Battery Park City unweit vom früheren World Trade Center entwarf. Im Moment gibt es viele Gerüchte, dass es entweder zwei höhere Türme oder vier kleinere geben sollte, aber das ist verfrüht.

Was hat Priorität?

Zuerst müssen wir darüber nachdenken, welche Rolle das Gelände in der Zukunft spielen soll. Wir müssen eine ganze Reihe von Möglichkeiten in Betracht ziehen: Bürotürme, Komplexe für eine Mischnutzung mit Cafés und Geschäften, vielleicht ein Museum oder ein Aufführungsort. Nur eins ist im Moment sicher: Die Transportfrage ist für die Neuentwicklung der Gegend zentral. Am wichtigsten ist, dass es ein großzügig und gemeinschaftlich konzipiertes Denkmal geben muss.

Arbeiten Sie auch am Entwurf des Denkmals?

Nein, ich denke, das darf man überhaupt keiner eng ausgewählten Gruppe überlassen. Irgendeine öffentliche Kommission wird die Verantwortung übernehmen, aber die Leidtragenden der Anschläge müssen mit einbezogen werden. Wir haben hunderte von E-Mails mit Vorschlägen erhalten, was mit dem Gelände geschehen sollte.

Dann hat Pächter Silverstein mit dem Auftrag an Sie die Initiative zu früh ergriffen?

Nein. Zum einen entwickeln wir bisher keine Büroflächen. Silverstein hat großen Respekt gegenüber der unglaublichen Tragödie und dem Verlust von Menschenleben. Die Stadt wird den Wiederaufbau vorantreiben, und Silverstein spielt eine Rolle in diesem Prozess.

Die Behörden von New York und New Jersey, denen das Gelände tatsächlich gehört, wollen Trümmerteile von „Ground Zero“ zur Erinnerung aufbewahren. Sie gehörten der Kommission an, die über die Auswahl entschieden hat.

Ich habe im Team mit einem anderen Architekten und einem Kunstkurator gearbeitet, um Materialien herauszusuchen, was man für ein künftiges Museum, für künstlerische oder pädagogische Projekte und Ähnliches erhalten könnte. Wir sind dafür einige Male auf „Ground Zero“ und dem Aufschüttungsgebiet „Fresh Kills“ gewesen, wohin die Trümmer abtransportiert werden.

Was haben Sie dort vorgefunden?

Ich muss sagen, es war ziemlich furchtbar. Die Stahlstrukturen, die immer noch stehen, mögen auf einem Foto sehr romantisch und evozierend aussehen. Glauben Sie mir, aus der Nähe sehen sie nicht so aus. Es ist nicht schön dort unten. Es ist der Anblick der totalen Zerstörung.

Wollen Sie das Stahlskelett vielleicht dennoch stehen lassen, vielleicht auch für das Denkmal?

Ich glaube, das wird nicht gehen, denn sie werden sich nicht halten, wenn die Aufräumarbeiten weiter fortgeschritten sind. Im Moment stehen sie nur, weil sie das schiere Gewicht des Schutts unter ihnen und rund herum stabilisiert. Aber wir haben nach Materialien wie diesen verdrehten und verbogenen Stahlträgern oder all dem in seltsame Formen geschmolzenen Glas Ausschau gehalten, die ein Gefühl für die Kräfte vermitteln, die die Türme am 11. September getroffen haben. Wir haben gesucht, ob von den Spitzbogen etwas übrig geblieben ist, die das Stahlskelett unten am Fuß der Türme getragen haben. Schließlich waren sie ein wichtiges ästhetisches Kennzeichen des Word Trade Centers.

Haben Sie etwas gefunden?

Ja. Die Bergungsarbeiter haben den Bronzeglobus gefunden, der auf dem Platz zwischen den Twin Towers stand. Er ist beschädigt, erstaunlicherweise steht er jedoch immer noch dort (siehe nebenstehende Fotos, Anm. der Redaktion). Aber es gibt auch den zerquetschen Krankenwagen, Papiere und persönliche Objekte wie eine handgemachte Flagge, die einen plötzlich anschreien.

INTERVIEW: HENRIKE THOMSEN