Geheimkommando Packesel

Das Pentagon amüsiert mit neuer Offenheit über Spezialkommandos. Die wirklichen Geheimeinsätze leitet die CIA. Das ergibt Kompetenzstreitigkeiten

von ERIC CHAUVISTRÉ

„Das ist wahrscheinlich der Vetter meines Esels Moe.“ US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld war gut gelaunt am Samstagabend. „So transportieren sie ihre Ausrüstung“, erläuterte der Pentagon-Chef die kurios anmutenden Aufnahmen von angeblich streng geheim operierenden US-Spezialeinheiten, die Esel mit schweren Waffen beladen und auf Pferden durch unwegsames Gebiet reiten. Die Auskunftsfreude mag auch damit zu tun haben, dass die Spezialkomandos immer wichtiger werden für Washingtons Militärplaner – vor allem im Süden des Landes.

Im Norden werden die US-Spezialeinheiten vor allem zur Kommunikation mit den afghanischen Kämpfern eingesetzt. Sie halten die Verbindung zu den Warlords und organisieren die Lieferung von Waffen. Sie gaben auch Ziele für Luftangriffe vor.

Im Süden greifen die Spezialeinheiten dagegen immer direkter in Kampfhandlungen ein: Bislang waren sie dort, nach Angaben des Pentagons, vornehmlich mit Erkundungsarbeiten beschäftigt. Auch sollen sie von den Taliban und al-Qaida genutzte Gebäude durchsucht haben. Jetzt spricht Rumsfeld davon, dass die Spezialeinheiten selbst die Straßen kontrollieren, um die Bewegungsfreiheit einzuschränken: „Sie töten Taliban, die sich nicht stellen, und al Qaida-Mitglieder, die unterwegs sind.“

Die neue PR-Offenheit wird militärisch kaum schaden: Da die vermeintlich geheimen Kommandos inzwischen aus einigen hundert Soldaten bestehen, liegt ohnehin kein Überraschungsmoment mehr in ihren Aktionen. Die tatsächlich geheim operierenden Spezialeinheiten unterstehende zudem nicht dem Pentagon, sondern der Central Intelligence Agency. Die ersten CIA-Teams sollen nicht erst seit Beginn der US-Luftangriffe in Afghanistan gewesen, sondern schon seit dem 27. September im Land sein. Zwischen beiden Institutionen soll es in den letzten Wochen erhebliche Abstimmungsprobleme gegeben haben. Die Konkurrenz wird dadurch verstärkt, dass die CIA in Afghanistan erstmals selbst ferngesteuerte Flugzeuge vom Typ „Predator“ einsetzt, die nicht nur der Aufklärung dienen, sondern auch mit schweren Waffen ausgerüstet sind.

Die CIA-Einheiten bestehen zu weiten Teilen aus ehemaligen Angehörigen militärischer Spezialeinheiten und waren teilweise schon in den Achtziger- und Neunzigerjahren in Afghanistan im Einsatz. Die Kenntnis des Landes und die Kontakte zu örtlichen Warlords waren deshalb sehr gut. Aus Sicht der CIA bestehen in Afghanistan sogar sehr gute Verhätnisse für einen Antiguerillakrieg. Im Vergleich zu anderen Ländern, die als Nächste Ziel von US-Angriffen werden könnten, kannte sich der US-Geheimdienst in Afghanistan offenbar sehr gut aus.

Sämtliche US-Spezialeinheiten operieren in enger Koordination mit Kräften in der Luft. Und so bedeutet der verstärkte, jetzt offiziell bestätigte Einsatz vom Spezialeinheiten nicht, dass die Luftangriffe aufhören. Allein am letzten Freitag waren nach Angaben eines Pentagon-Sprechers wieder 75 Kampfflugzeuge im Einsatz, darunter auch Langstreckenbomber. Das Pentagon kündigte letzte Woche auch an, die Flotte ihrer tief fliegenden „Gunships“ vom Typ AC-130 in Afghanistan deutlich aufstocken zu wollen. Die tief fliegenden Propellermaschinen, ausgerüstet mit Maschinengewehren und schweren Waffen, sind dazu gedacht, Spezialeinheiten aus nächster Nähe zu unterstützen.

Trotz der öffentlich zur Schau gestellten Begeisterung über die Fähigkeiten der Spezialeinheiten ist der Sprecher des Generalstabs, Stuffelbeem, offensichtlich bemüht, die Erwartungen zu dämpfen: „Wir gehen nicht davon aus, dass die Aufgabe bald erledigt ist.“ Ob dieser Pessimismus auf der realen Einschätzung der Erfolgsaussichten basiert oder einer zu hohen Erwartungshaltung vorbeugen will, ist angesichts der stets schwankenden Einschätzungen durch das Pentagon während dieses Krieges kaum zu bestimmen: Wurde die Kampfkraft der Taliban zunächst unterbewertet, folgte nach erstem ungeduldigem Murren über einen langen Bombenkrieg ein kollegial anmutendes Lob für den tapfer kämpfenden Gegner.

Sollte es in absehbarer Zeit nicht gelingen, Ussama Bin Laden und andere Mitglieder der Al-Qaida-Führungsriege in Afghanistan zu fassen oder umzubringen, wird offensichtlich schon ein Szenario zur Wahrung des Gesichts entworfen. Während in offiziellen Statements noch von einer Ergreifung Bin Ladens die Rede ist, werden in der zweiten Reihe schon die Ziele umdefiniert. „Bin Laden war nie das Hauptziel“, sagte Anthony Cordesmann, Berater des einflussreichen republikanischen Senators John McCain und ehemals hoher Pentagon-Beamter im Gespräch mit der taz. „Das Ziel war es, al-Qaida als funktionierende Struktur zu zerstören und zu verhindern, dass Afghanistan Terroristen beherbergt.“