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: Trauern statt jubeln!

Am Morgen nach dem Volkstrauertag tritt die SPD in Nürnberg zur Jubelparade an. Doch was die SPD in Nürnberg braucht, ist weniger Reichsparteitag und mehr Volkstrauertag.

Die Partei muss anerkennen, dass sie sich mit ihrem Ja zum Krieg eine Wunde geschlagen hat. Auch wenn die Kluft in der Afghanistan-Frage bei den Grünen von den Medien stärker ausgeleuchtet wurde, so war es in Wirklichkeit die Zerrissenheit der Sozialdemokraten, die Schröder zum Zwinggriff der Kanzlerfrage veranlasste. Den größten Schaden hat der SPD-Vorsitzende darum auch in den eigenen Reihen angerichtet. Ihre Zustimmung zu den Kriegskrediten 1914 haben die Sozialdemokraten bis heute nicht verwunden. Wie soll da die Freude über die Rettung der Koalition über das erste rote Ja zu einem großen Krieg des 21. Jahrhunderts hinwegtrösten?

Kommentarvon PATRIK SCHWARZ

Bisher ist es Schröder immer gut bekommen, der Shortcut-Kanzler zu sein, der nicht seine Wege nach dem Ziel ausrichtet, sondern seine Ziele danach, ob zu ihnen ein einfacher Weg führt. Die überhastet gestellte Vertrauensfrage ist das erste Manöver von Bedeutung, wo es für ihn nachteilig ist, dass sich sein innerer Kompass nicht an Werten ausrichtet. Niemand bestreitet, dass die Abwägung von Kriegsbeteiligung oder -verweigerung schwierig ist. Doch Schröder hat sich dieser Ambivalenz verweigert, von seiner Ausrufung der uneingeschränkten Solidarität bis zur Vertrauensfrage. Spätestens seit er die SPD-Fraktion auf seine Linie zwang, ist Schröders Kurs ein Problem der Partei geworden.

Der Blick in die Wunde erfordert Kraft. Der Parteitag droht in Nürnberg die weit verbreiteten Zweifel am Sinn des Afghanistan-Einsatzes wegzuschminken. Damit vergiftet er erst das Verhältnis der Partei zu sich selbst und dann zu ihrem Vorsitzenden.

Gerhard Schröder muss daher in Nürnberg ein Interesse an Trauerarbeit haben, nicht an Jubel. Der Parteitag soll dabei nicht das Ja zum Krieg nachträglich in ein Nein verwandeln. Vielmehr müssen die Roten von den Grünen lernen, auch wenn die in vieler Hinsicht im Moment nicht zum Vorbild taugen.

Langfristig macht es die Grünen aber glaubwürdiger, ihre Ambivalenz zum Afghanistan-Einsatz nicht zu vertuschen. Und erst wenn sich die Sozialdemokraten zu ihrer Zerrissenheit bekennen, werden sie wieder zu einer Volkspartei. Schließlich ist nicht nur die Partei gespalten, auch das Land ist es.