Denkbar schlecht vernetzt

■ Prozess: Wer ist schuld am Sturz eines Arbeiters vom Waller Paradice

Inzwischen läuft bereits die fünfte Eissportsaison im „Paradice“. Knapp vier Jahre nach der Eröffnung saßen gestern vier am Bau der Waller Eissporthalle Beteiligte auf der Anklagebank des Amtsgerichts. Dabei ging es um die Frage, welche Schuld sie am Unfall von Jens G. haben. Der Arbeiter der Dachdeckerfirma M & N war am 9. Januar 1998 sieben Meter tief vom Dach der noch im Bau befindlichen Eissporthalle gestürzt. Zeitweise saß G., der nicht zum Prozessauftakt erschienen war, im Rollstuhl. „Vor ein paar Jahren ging er noch auf Krücken“, erzählt sein ehemaliger Chef Reiner M. Er musste sich gestern zusammen mit Jürgen W. vom Bauherr, den „Bremer Bädern“, Bauleiter Ingo M. und Theophil K., dem Polier der Baufirma Schmidt, der Frage stellen, warum es keine Schutznetze gab, die den Arbeiter im Falle eines Falles hätten abfangen können.

Rund zehn Millionen Mark hat der Bau des Waller Eisspektakels gekostet. Dabei war die fürs Dach zuständige Firma Schmidt noch dazu gedrungen worden, Sicherheitsnetze einzukalkulieren. Preis: 35.000 Mark.

Ob die Netze jemals benutzt worden sind, blieb gestern strittig. „Die waren bei mir im Auto“, sagte der Polier Theophil K. „Niemand konnte mir welche zeigen“, betonte dagegen Nils Rehbach vom Gewerbeaufsichtsamt. Immerhin konnte er sich auf eigene Aufzeichnungen von damals stützen. Tatsächlich war die Sicherheit auf der „Paradice“-Baustelle schon vor dem Unfall am 9. Januar ein Dauerbrenner gewesen. Richter Bernd Teuchert zitierte ein Schreiben, in dem Bauleiter Ingo M. beteiligte Firmen „ultimativ“ aufforderte, die Vorkehrungen einzuhalten. Sonst werde er betroffene Monteure „von der Baustelle verweisen.“

Am Morgen des 9. Januar muss Polier Theophil K. von der Firma Schmidt verdutzt geguckt haben, als plötzlich ein Bautrupp der Firma M & N anrückte. Schmidts Chef hatte so genannte Trapezblecharbeiten am Dach an M & N weitervergeben, ohne ihn zu unterrichten. Im Vertrag mit dem Subunternehmer war auch festgehalten, dass die Firma Schmidt sich um die Sicherheitsmaßnahmen kümmern sollte. Bloß: „Das hatte mir niemand gesagt“, betont Theophil K. und schüttelt mit dem Kopf, als Reiner M. von M & N behauptet, er habe ihn noch nach Netzen gefragt. Dabei ist es dann geblieben. M. ließ sich schließlich „doch breitschlagen, anzufangen. Ich wollte unsere Jobs erhalten.“ ksc

Nächster Termin: Montag, 26. September, 9 Uhr, Amtsgericht, Zimmer 651