Was passiert mit Zocker-Geld?

■ Grüne Linnert: Sozialressort täuscht Abgeordnete / Staatsrat Knigge: „Wir täuschen nicht!“

Hat sich das Sozialressort mit Wettmitteln eine Spezialkasse angelegt, um Projekte nach Gutdünken und ohne Abstimmung mit den demokratisch gewählten VolksvertreterInnen mit Geld zu bedenken? Diese Vorwürfe erhebt Karoline Linnert, sozialpolitische Sprecherin der Bremer Grünen.

Wer spielt, spekuliert zwar vor allem aufs eigene Glück, tut anderen aber Gutes: Das Land verdient mit – zwischen 15 und 20 Prozent jedes Wetteinsatzes, sei es Lotto, Oddset oder Pferdewetten, müssen die Veranstalter an die Staatskasse abdrücken. Weil Wettmittel nicht als die anständigsten aller Einnahmen gelten, schreibt ein spezielles Gesetz ihre Verwendung vor: Sie müssen „gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken“ zugute kommen. Das Zocker-Geld wird aufgeteilt zwischen der Sportförderung, den Bereichen Bildung, Kultur, Jugend und Soziales. Hier kommt es zahlreichen Initiativen zugute, unter anderem der Blindenberatung oder der Straffälligenbetreuung, der Beratungsstelle für ausländische Flüchtlinge oder den Hospizdiensten. Über die Verteilung entscheidet das Ressort laut Gesetz im „Einvernehmen“ mit der Deputation. Das heißt, die Regeln von Mehr- und Minderheit sind hier aufgehoben – auch die Opposition soll der Verteilung zustimmen können.

Nun ist Karoline Linnert und mit ihr der Sozialdeputation aufgefallen, dass plötzlich 1,3 Millionen Mark mehr im Topf sind, als den ParlamentarierInnen noch Anfang des Jahres ausgewiesen wurde: Laut Januar-Aufstellung standen 2,85 Millionen Mark Wettmittel für den Bereich Soziales zur Verfügung, davon ein Rest aus dem Vorjahr in Höhe von 200.000 Mark. In der Herbst-Aufstellung beläuft sich dieser Rest aus dem Jahr 2000 plötzlich auf 1,3 Millionen Mark. Linnert ist wütend: „Das Ressort hat sich wissentlich eine riesige Sparkasse angelegt.“ Mehr noch: „Es hat die Deputation getäuscht, um zu verhindern, dass Einvernehmen hergestellt wird.“ Denn hätte das Ressort mit offenen Karten gespielt, so der Vorwurf der Politikerin, wären die Grünen mit ihren Wünschen – mehr Geld aus dem Wettmittel-Topf vor allem für die Solidarische Hilfe – nicht so „abgebürstet“ worden.

Inzwischen hat Karoline Linnert Post aus dem Sozialressort bekommen. Bei den 1,3 Millionen handele es sich um einen „kassentechnischen Haushaltsrest“, nicht um tatsächlich frei verfügbare Mittel. Dieser Rest beinhalte einerseits noch nicht abgerufene, aber schon festgelegte Mittel, zum anderen unerwartete Mehreinnahmen – zu Deutsch: Es wurde mehr gezockt, aber das war Anfang des Jahres so noch nicht klar.

Linnert ist dennoch nicht zufrieden. Zum einen hätte man die Zahlenaufstellung transparenter machen sollen, erklärt sie. Zum anderen werde die Deputation längst nicht über alle eingehenden Anträge auf Wettmittel informiert. „Wir wissen nur vom Hörensagen, wer einen Antrag gestellt hat“, so die Sozialpolitikerin. Das Ressort lege den Deputierten selektiv die Anträge vor, die von Ressortseite für förderungswillig gehalten würden. Diesen Vorwurf teilt auch die CDU-Deputierte Silke Striezel. Doch sie geht nicht so weit, dem Ressort Täuschung vorzuwerfen. Vielmehr nicht unbedingt die Informationsbereitschaft, die die Abgeordneten sich wünschen. „Aber das liegt wesentlich an uns selbst“, so die CDU-Frau, „ich habe aus dem Vorgang gelernt, dass ich mit schöner Penetranz regelmäßig nach den Wettmitteln fragen werde.“ Zu den plötzlich aufgetauchten 1,3 Millionen Mark Wetteinnahmen sagt Striezel süffisant: „Die nicht abfließenden Wettmittel werden offenbar gut verwahrt und uns gegebenenfalls mitgeteilt, wenn die Verwaltung Ideen hat, was man damit machen könnte.“

Arnold Knigge, Staatsrat im Sozialressort, weist die Vorwürfe zurück. „Wir täuschen nicht und halten erst recht nichts zurück.“ Außerdem: „Wenn wir die Information der Deputierten verbessern können, machen wir das natürlich.“ Das habe Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD) in der vergangenen Deputationssitzung ausdrücklich zugesagt. Susanne Gieffers