Heute dort, morgen hier

Blühender Wein: Hannes Wader lud im Konzertsaal der HdK zum Familienkonzert

Eigentlich hatte man in den letzten Tagen genug vom Modell „älterer Mann schnarrt politische Texte zur Holzgitarre“ gehört. Aber das Biermann -Jubiläum ist zum Glück vorbei und Hannes Wader sowieso anders. Westsozialisierte Menschen, die zwischen 1973 und 1980 mal zelten waren, kennen zumindest noch seinen Lagerfeuer-Hit „Heute hier, morgen dort“ aus den populären „Student für Europa“-Liederheftchen. Wader war der folkige unter den deutschen Liedermachern, nie ganz so treffend bitter wie Degenhardt, aber auch nie so hitparadenkompatibel wie Reinhard Mey.

25 Jahre später im Konzertsaal der Hdk kommt am Sonntag ein schlanker, aufrechter Country-Recke mit kurzem grauem Bart auf die Bühne. Er duzt sein Publikum, biedert sich aber in keinster Weise an und spielt in großer Unaufgeregtheit seine Lieder. Lustig sind vor allem immer noch seine kritisch alltagsbeobachtenden Songs wie das von der ersten Liebe, die ein Schuss in den Ofen war. In seinem typischen, dem Talking Blues entlehnten Sprechgesang erzählt er vom Haus der Geliebten. Vom Rauputz im Partykeller, dem Ambiente zwischen Altdeutsch und Pizzeria und der Brutalität des Schlussmachens. Zum Glück ist es eine ferne Welt, die da besungen wird. Wie in vielen Stücken seiner männlichen Liedermacherkollegen sind auch bei ihm die Mädchen am Ende die Spießerinnen, die das Sofakissen sauber in der Mitte knicken.

Manches nervt bei Wader, die Anreicherung der Songs mit verfitzelten Fingerpickingpassagen, manchmal ist ein wenig zu viel Tremolo und Pathos in der Stimme, es gibt ein Lied, das vom Essen mit Freunden im Elsass erzählt, „in der kleinen Stadt, die Mauern umwuchert von blühendem Wein“. Das sind Szenen, derenwegen man auch den französischen Film hasst.

Nichtsdestotrotz werden in den Wader-Liedern Themen besungen, über die sonst kaum einer singt. Ein 60-Jähriger hat nun mal andere Lebenswelten. Es geht um den Freundeskreis, der kleiner wird, ums Älterwerden. Das ist schön, bedenkt man, dass in der Rock-und Popmusik auch die erwachsenen Texte bestenfalls von Adoleszenzproblemen Neunundzwanzigjähriger handeln – auf das große Alterswerk eines Jochen Distelmeyer oder Dirk von Lowtzow müssen wir noch 25 Jahre warten.

Viele alte 68er, nun selbst schon um die 60, sind in der ausverkauften HDK. So viel langes graues Haar hat man selten gesehen. Verweigert sich diese Klientel vielleicht aus ideologischen Gründen den Produkten der Haarfärbemittelindustrie? Viele haben ihre erwachsenen Kinder, diese gern im Globalisierungsgegnerschick mit Wollpullover und Rastazopf, zum politischen Familienkonzert dabei.

Wenig Kämpferisches gibt Wader von sich. Schade, hätte man doch gerade in diesen Tagen ein wenig Beistand von den alten, aufrechten Linken gebraucht. Aber in Nebensätzen zeigt er dann doch seine Haltung. Beim Lied des fahrenden Handwerksgesellen von 1878 zitiert er die Sozialistengesetze: „Gegen die gemeingefährlichen Umtriebe der Sozialdemokratie“. Da lachen dann ganze Reihen gedemütigter Grünenwähler im Publikum bitter auf. Als er sein Lied für Victor Jara ansagt , muss er darauf hinweisen, dass der faschistische Putsch in Chile 1973 mit Hilfe der amerikanischen CIA gelang.

Drei Zugaben muss er geben, dann holt er noch Reinhard Mey und Klaus Hoffmann aus dem Publikum auf die Bühne, und sie singen ein recht albernes Lied zu dritt. „Ihr lieben 68er, danke für alles – ihr dürft jetzt gehn“, heißt es bei Peter Licht. Dabei kann es ganz inspirierend sein, wenn ab und zu mal wieder einer vorbeikommt. CHRISTIANE RÖSINGER