Aufrecht in die Pension

Brandenburgs CDU-Chef will große Koalition platzen lassen, falls Stolpe im Bundesrat für das Zuwanderungsgesetz stimmt. Schönbohm will nicht als kopfloser Innenminister enden

von ULRICH SCHULTE

Um 12.09 Uhr hat die brandenburgische CDU per Fax eine Pressekonferenz im Potsdamer Landtag angekündigt, bereits knappe eineinhalb Stunden später saß Innenminister Jörg Schönbohm mit rot gerandeten Augen in Raum 433 direkt unter dem Dach – hörbar bemüht um Schadenbegrenzung: Er habe seine Rede am Wochenende nicht als Vorpreschen empfunden, konkrete Änderungswünsche wolle er nicht öffentlich aussprechen, denn sonst „führen Sie mich am Nasenring durch die Gegend“. Und, viel wichtiger: Ein Ende der Koalition sei das Letzte, was er wolle.

Doch genau darum geht es – um den Bruch des großen SPD-CDU-Bündnisses unter Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD). Dabei hatte es eher harmlos begonnen – mit Nachwuchspflege: Am Wochenende hatte Schönbohm, gleichzeitig CDU-Landesvorsitzender und Vizeregierungschef, vor knapp einhundert Jungunionisten geredet. Ein Thema war auch das Zuwanderungsgesetz der Bundesregierung, über welches am 21. Dezember im Bundesrat abgestimmt werden soll. Er lehne den Entwurf der Bundesregierung ab, wenn nicht Korrekturen vorgenommen würden. So müsste etwa das Nachzugsalter für Kinder herabgesetzt werden, forderte Schönbohm. Gestern fügte er hinzu, ein wichtiger Punkt sei die Klarstellung der Grenzen der Zuwanderung.

Die Abstimmung in der Länderkammer wird knapp. SPD- und CDU-geführte Länder haben je 31 Stimmen, in Bremen und Brandenburg regieren große Koalitionen. Der Stadtstaat Bremen hat drei Stimmen. Die vier Stimmen Brandenburgs sind also das Zünglein an der Waage.

Dadurch entwickelt das Immigrationsgesetz eine gefährliche Sprengkraft für das brandenburgische Parteienbündnis. Denn bleiben Schönbohms Korrekturwünsche unberücksichtigt, will er die Koalition platzen lassen – falls Stolpe dem Gesetz trotz CDU-Veto zustimmt. „Es geht um gewisse Grundsätze. Natürlich muss man kompromissfähig sein, aber nicht um jeden Preis.“ Nun wird sich das Regierungsgespann Stolpe/Schönbohm also auf die Suche nach dem Kompromiss machen, nach Angaben des CDU-Hardliners soll sich der Innenausschuss des Bundesrates am 6. Dezember mit dem Thema befassen.

Schönbohm räumte ein, unter dem Druck der Bundespartei zu stehen. „Manche Leute dort meinen, dass die Zuwanderung ein gutes Wahlkampfthema sei.“ Seiner Meinung nach gebe es aber genügend andere Themen.

Im brandenburgischen Koalitionsvertrag steht, dass sich das Land im Zweifelsfalle enthält. Bisher habe man sich aber immer einigen können, so Schönbohm. Sollte es diesmal nicht klappen, steht für den Freund starker Worte fest: Er werde jedenfalls nicht als Innenminister mit dem Kopf unter dem Arm durch Brandenburg laufen. „Dann lieber als aufrechter Pensionär – und den Kopf noch oben drauf.“