„Wie ein Indio auf dem Hochseil“

Die Grafikerin Beate Musäus (59) ist Gerichtszeichnerin und hat große Probleme, Christoph Daum zu Papier zu bringen

Heute startet der Kokain-Prozess um den Fußballtrainer Christoph Daum in die sechste Runde. Dabei will die Erste Große Strafkammer am Koblenzer Landgericht drei Zeugen befragen, unter anderem einen ehemaligen Mitangeklagten. Mit dabei ist dann auch wieder die Grafikerin Beate Musäus. Über die Probleme, Christoph Daum zu Papier zu bringen, sprach Bernd Müllender mit der Gerichtszeichnerin.

taz: Was fällt Ihnen bei Christoph Daum auf?

Beate Musäus: Erst einmal hat er ein sehr freundliches und soziales Gesicht. Nicht das Gesicht eines Hochintellektuellen, aber Anteil nehmend und offen. Auffällig sind die strengen Falten um die Mundpartie, Ausdruck seines unmenschlichen Stresses. Da wundert mich der Kokainkonsum gar nicht. Er wirkt unheimlich angespannt; ich sehe viel Männlichkeit, Wollen und Härte. Wie jemand, der Macht sucht.

Ist er leicht zu zeichnen?

Nein, überhaupt nicht. Das ist ja mein Problem. Ich hatte selten mit jemandem solche Schwierigkeiten. Daum hat das Gesicht eines Athletikers, eines Hochleistungssportlers und Leptosomen. Man sieht dem Gesicht an, was er von sich verlangt. Von der Physiognomie her wirkt er stets überangestrengt. Wenn ich nun jemanden zeichne, ist das immer auch ein Teil von mir, meine Energien fließen da mit. Ich fühle mich ja in jemanden ein. Man sagt, der Herzimpuls muss in der Hand sein.

Und bei Daum fallen die Impulse schwer?

Ja. Überanstrengung entspannt zu zeichnen, ist sehr schwer. Christoph Daum hat einen ganz extremen inneren Schwung, den ich so nicht habe. Es ist schwer, auf ihn zu reagieren. Ich muss die Skizzen immer radieren und korrigieren. Dass Daum nichts sagt in der Verhandlung, macht die Sache auch nicht leichter, da spräche ja das ganze Gesicht mit. Daum erinnert mich an einen Indio-Artisten auf dem Hochseil, die ich mal gesehen habe, mit Fahrrad und anderen noch auf der Schulter. Unter Hochspannung, unter sich immer den Abgrund.

Daum ein Indio?

Ja, er hat auch ein Indiogesicht. Ein Mensch, der ganz stark mit seinem Körper und durch seinen Körper lebt. Mit Power, Energie. Und gleichzeitig eine gewisse Natürlichkeit ausstrahlt. Das alles scheint allerdings nicht im Gleichgewicht.

Was fällt Ihnen besonders auf? Nase, Augen?

Zuerst die extrem schmale Kopfform, fast archaisch. Die Augen sind mir dann beim Zeichnen richtig aufgefallen, sehr lebhaft, sehr beobachtend, immer in Bewegung. Und mit seinen Händen gekoppelt. Er schreibt ja ständig mit, ich glaube seine Hände hören beim Malen. Ich sehe mehr beim Malen und bin nicht so unruhig.

Haben Sie den Eindruck, er ist im Laufe des Prozesses ruhiger geworden, entspannter?

Gar nicht. Herr Daum wirkt wie jemand, der in seinem Leben noch mehr will und noch mehr. Noch mehr sucht. Da ist ein Gesichtsausdruck, der verrät, dass er noch viel mehr Spannung und Hochenergie will.

INTERVIEW: BERND MÜLLENDER