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: Nostalgie vom Niederrhein

„Otzenrather Sprung“ (So., 21.00 Uhr, 3sat)

Die riesigen Schaufelbagger haben sich schon fast an das kleine Bushäuschen herangefressen. Es sieht ähnlich aus wie in der Lausitz, wo das Dorf Horno sich weigert, zugunsten der Braunkohle zu weichen.

Jens Schanze wollte in seiner Schwarzweiß-Doku eigentlich zeigen, wie sich die Menschen auf ihren Umzug aus der westdeutschen Tagebauzone Garzweiler II – ein paar Kilometer weiter am Niederrhein – vorbereiten.

Doch während der einjährigen Dreharbeit begegnete er vor allem Menschen, „die angesichts der fremdbestimmten Zukunft wie gelähmt sind“. Im Schnitt-Gegenschnitt lässt er die Betroffenen, Arbeiter und Bauern, sowie die Macher, Rheinbraun-Manager, zu Wort kommen. „Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Planung des neuen Hauses“, ruft z. B. ein für den Abbau verantwortlicher Rheinbraun-Direktor den Bewohnern eines Dorfes, das abgerissen wird, zu. Im Gegensatz zu den ostdeutschen Braunkohleopfern Horno und Heuersdorf regt sich in den drei Dörfern des rheinischen Reviers jedoch kaum Widerstand, auch wenn hier 50 Quadratkilometer Heimat verschwinden sollen.

Die Baggerbrigaden scheinen vor allem von der Größe des Vorhabens enthusiasmiert zu sein. Und die Ortsfunktionäre raten den resignierten Leuten: „Lassen Sie kein Fest aus in den nächsten Jahren.“

Lange bevor die Großbagger dem Ort nahe kommen, stirbt alles Lebendige. Bis es nur noch „um die Interessen der Umsiedler“ geht – und um ihre Kooperationsbereitschaft: „Mit 98 Prozent der Leute komme ich klar“, sagt ein Umsiedlungs-Manager. Die Betroffenen meinen jedoch: „Ein Scheißspiel – meiner Meinung nach.“ Es ist schwer, dem Druck des Konzerns und des Staates zu widerstehen.

Die Aktivisten in Horno und Heuersdorf haben noch nicht aufgegeben. Für die Garzweiler-Orte scheint es zu spät zu sein.

Der Film von Jens Schanze wirkt schon nostalgisch. So nostalgisch, das ihn irgendwann auch die Rheinbraun zeigen könnte. „Wir sind sehr offen“, meint ein Umsiedlungsberater. Aber wie kann ein Filmemacher denn auch solidarisieren? H. HÖGE