Expräfekt Korsikas vor Gericht

Der ehemalige Vertreter der Pariser Regierung auf der Insel muss sich wegen Brandstiftung verantworten. Er vermutet politische Manöver und attackiert Premierminister Jospin, der nach der „Strandrestaurantaffäre“ seine Politik änderte

aus Paris DOROTHEA HAHN

Es ist der größte Prozess der korsischen Geschichte, der gestern in der Hafenstadt Ajaccio eröffnet wurde. Auf der Anklagebank sitzen acht Repräsentanten des Staates: der frühere höchste Vertreter von Paris auf der Insel, Expräfekt Bernard Bonnet, sein Kabinettschef, sein Polizeichef sowie fünf weitere Gendarmen. Die Anklage gegen die acht Männer lautet: „mutwillige Brandstiftung zur Zerstörung fremden Eigentums“.

Die Taten geschahen im Frühling 1999. Da setzten Gendarmen der eben erst zur Verbesserung der Sicherheit auf der Insel gegründeten und seither aufgelösten Sondereinheit GPS zwei Strandrestaurants in Brand. Beide waren illegal auf öffentlichem Land am Meer gebaut worden. Bei „Chez Francis“ unweit von Ajaccio ging die Sache gründlich schief. Auf dem Sandstrand zog sich einer der Brandstifter schwere Brandverletzungen zu. Beim Rückzug hinterließ das Kommando einen Benzinkanister, eine Gesichtsmaske und ein Radio der GPS am Tatort. Neben den Trümmern des Restaurants hinterließen sie ein Flugblatt. Aufschrift: „Féraud – Bullenspitzel“. Auf Korsika, wo radikale NationalistInnen und Geschäftemacher mit blutigen Methoden um die Macht kämpfen, ist das ein gefährlicher Vorwurf. Restaurantbesitzer Féraud war überzeugt, dass man ihm Mörder auf den Hals hetzen wollte.

Die Mitglieder des Gendarmenkommandos waren schnell verhaftet. Alle legten Geständnisse ab. Sieben der acht Angeklagten haben schon vor dem Prozess in Ajaccio zugegeben, dass sie gezündelt haben. Als Auftraggeber nannten sie den einstigen Präfekten Bonnet. Der soll nicht nur das Zündeln initiiert haben, sondern auch Beweisstücke, wie den Fotokopierer der Präfektur, von der das Flugblatt stammt, verbrannt haben.

Der 53-jährige Bonnet, der eine steile Karriere im Dienste der Pariser Regierungen absolviert hat, leugnet jeden Tatauftrag. Er versteht sich als Opfer eines Manövers und seinen Prozess als politischen. In den kommenden drei Prozesswochen will er den „absoluten Beweis“ seiner Unschuld vorlegen. Der Presse erklärte er, am meisten sei er von Premierminister Jospin enttäuscht. Sein einstiger Chef habe eine „juristische und medienmäßige Lynchkampagne“ organisiert.

Jospin und sein damaliger Innenminister Chevènement hatten Bonnet im Febraur 1998 auf dem Höhepunkt der korsischen Krise für seinen Posten auserkoren. Wenige Tage nach dem Mord an dem vorherigen Präfekten Claude Erignac auf offener Straße in Ajaccio sollte Bonnet für Recht und Ordnung sorgen. Staatspräsident Jacques Chirac und Premierminister Jospin versprachen bei der Gedenkfeier, die beiden ersten Prioritäten seien nun die Suche nach den Mördern und die Wiederherstellung des Rechtsstaates auf der Insel. Der neue Präfekt nahm den Auftrag ernst. Seine Steuerfahndung war vielen KorsInnen ein Dorn im Auge. Auch seine Aufforderung an die InselbeamtInnen, Korruptionsfälle zu denunzieren, missfiel. Ebenso wie sein Engagement zugunsten des Bebauungsverbots in Naturschutzgebieten wie dem Küstenstreifen. Aber Bonnet stand in täglichem Telefonkontakt mit dem Sitz von Premierminister Jospin.

Die Strandrestaurantaffäre beendete seine Karriere abrupt. Auch der Korsikapolitik der Pariser Regierung gab sie eine radikale Wende. Nach jahrzehntelangen geheimen Mauscheleien organisierte Jospin die ersten offenen Verhandlungen über eine politische Lösung der Inselkonflikte. Bonnet vermutet, dass die Entscheidung über eine andere Korsikapolitik bereits vor der Strandrestaurantaffäre gefallen war. Und dass er in dem neuen Szenario störte.