Prinzip Experimentierlust

■ Einmal Cello, sechsmal Kontrabass beim „OpenJazz“-Festival

Bass, Bass, Bass heißt es heute Abend in den Räumen gleich zweimal nahe der Sternbrücke. Zu Gast im Fundbuereau ist allerdings kein Soundsystem sondern das Kontrabass-Sextett Ensemble Sondarc. Als sei diese Besetzung nicht schon gewöhnungsbedürftig genug, kommt das Ensemble mit einem recht eigenen Konzept von Avantgarde daher: Neben freier Improvisation beziehen die Musiker erklärtermaßen immer auch den Klang des jeweiligen Auftrittsortes in ihre Konzerte mit ein. Denn der Sound eines Flageoletts, gestrichenen Cs oder vielstimmigen Cre-scendos ändert sich mit jedem Raum: Das hallige Schiff einer Kirche klingt naturgemäß anders als das kahle Innere einer alten Fabrikhalle oder die akustische Enge eines Büros.

So stehen die Musiker, die stets ohne festgeschriebene Partituren arbeiten und lediglich auf Erfahrung und lose Ideen zurückgreifen, bei jedem Konzert vor einer wahrlich neuen Aufgabe. Dies fordert neben der Beherrschung des Instrumentes vor allem äußerste Konzentrations- und Kommunikationsfähigkeit. Darin besteht nun das Aufregende, sowohl für die Akteure als auch das Publikum. Sozusagen vor aller Ohren entwickeln sich Klänge, Ideen und (musikalische) Sprache. Das schließt auch falsche Fährten, Dissonanzen mit ein – inwieweit beabsichtigt, sei dahinge-stellt. Am Ende jedenfalls erklingt immer Musik. Beim Ensemble Sondarc entfacht sich eine Klangvielfalt, die mitunter an ein ganzes Streichorchester erinnert – und vergessen lässt, dass da „nur“ Kontrabassisten spielen. Musikalisch bewegen sich die sechs dabei zwischen Minimal Music, filmischen, fast bedrohlichen Soundlandschaften, orchestraler Wucht und reinem Experiment.

Um das Probieren und Suchen geht es ebenfalls bei dem Cellisten Wittwulf Y Malik. Auch er erkundet in seiner Solo-Improvisation Räume akustisch, um darin „Klang-Installationen und -Skulpturen“ aufzuführen. So viel Versuchsfreudigkeit an einem Abend bietet schließlich auch den Zuhörern die Möglichkeit zum Experiment. Die teilweise anstrengende Musik wird einem wie im Selbstversuch die eigenen Hörgewohnheiten und Erwartungen aufzeigen und manches Aha-Erlebnis bereit halten.

Noch mehr am äußeren Experiment Interessierte können bereits zwei Stunden früher in der nahe gelegenen Johanniskirche beiden Acts lauschen, um im Vergleich der beiden „Klangräume“ Kirche und Bahngewölbe das Konzept des Ensemble Sondarc selbst nachzuvollziehen. Gerd Bauder

heute, 20 Uhr, St. Johanniskirche (Max-Brauer-Allee); 22 Uhr, Fundbureau