Ansichten des Sterbens

■ In St. Ansgarii erklangen vielfältige Trauermusiken

Robert Schumann beurteilte das Requiem in C-Moll von Luigi Cherubini als „ohnegleichen in der Welt“, und Eduard Hanslick, der berühmte Musiktheoretiker und Kritiker in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts zog es dem von Mozart vor. Es wurde 1827 zur Beerdigung von Ludwig van Beethoven gespielt, der seinerseits gesagt hatte, schriebe er je ein Requiem, dann sei nur das von Cherubini sein Vorbild.

Trotzdem ist es selten zu hören: Warum, ist nach der Aufführung der Kantorei St. Ansgarii nicht zu verstehen. Denn das 1815 geschriebene Werk birgt eine Fülle von musikalischen Schönheiten vom einfachen Lied über eine geradezu theatralische Dramatik bis zur komplizierten Doppelfuge. Die Anforderungen an den Chor sind technisch und besonders gestalterisch hoch, insbesondere auch deswegen, weil es keine SolistInnen gibt.

Die Kantorei St. Ansgarii unter der Leitung von Wolfgang Mielke sang teilweise etwas antriebsschwach – diesen Chor hat man schon viel besser gehört. Im Laufe der Aufführung konnte er sich allerdings steigern und fand ausreichend schöne Kontraste zwischen der lyrischen Besinnlichkeit des äußerst selten vertonten „Jesu Pie“ und der explosiven Dramatik des „Dies Irae“.

Die Kammersinfonie Bremen erwies sich einmal mehr als ein verlässlicher Orchesterapparat, größere Feinheiten waren allerdings an diesem Abend nicht zu hören. Schön wurden die tänzerischen Elemente herausgearbeitet, und das riesige Crescendo im „Dies Irae“ funktionerte gut.

Das eigentlich Beglückende an diesem Konzert war die Sorgfalt, mit der das ganze Programm gestaltet wurde: Wolfgang Mielke umrahmte Cherubinis Werk mit zwei Orgelmeditationen von Olivier Messiaen, der ja mit seiner theologischen Musik nur von „Licht“ und „Freude“ spricht, niemals von Leid. Markus Manderscheid registrierte Messiaens irreale Klänge glasklar wie einen einzigen Zustand ohne Bewegung.

Arvo Pärt, der sich schockartig von den Entwicklungen der Moderne abgewandt hat und nach Studien der mittelalterlichen Musik einen eher meditativen Stil entwickelte, schrieb sein „Cantus in Memoriam of Benjamin Britten“ für Glocke und Streichorchester 1977: Unablässig scheinen die Streicherlinien herabzusteigen, um ein einziges Crescendo zu kreieren.

Und mit dem unsentimentalen, fast „sachlichen“ „Begräbnisgesang“ op. 13 für Chor, Pauken und Bläser des jungen Johannes Brahms (1857) erklang mit orgelartigen Klangfarben noch einmal ein ganz anderes Bild über Sterben und Auferstehung als bei Cherubini.

Ute Schalz-Laurenze