Atommülldrehkreuz Bremerhaven

■ AKW-Gegner fürchten noch mehr Plutoniumtransporte durch Bremen / Grüne und Atomkraftgegner überrascht / Sperrung des Hafens – wie in Emden und Lübeck – kein Thema

„Es ist damit zu rechnen, dass es weiteren Umschlag radioaktiver Güter in Bremerhaven geben wird.“ Rüdiger Staats, Sprecher im Hafenressort, macht keinen Hehl daraus, dass die drei noch in diesem Jahr ausstehenden Plutonium-Transporte über Bremerhaven auch nicht die letzten sein werden. Im Ausland wartet noch jede Menge strahlenden Abfalls darauf, nach Deutschland zurückgeholt zu werden. Denkbar ist auch, dass die Castor-Transporte in die Wiederaufarbeitungsanlagen nach Sellafield und La Hague eines Tages über Bremens Häfen abgewickelt werden – und nicht wie zur Zeit per Bahn über Frankreich.

Greenpeace und das Bremer Anti-Atom-Forum befürchten deshalb, dass die Seestadt Atommülldrehkreuz Europas wird. „Wenn es zu viele Probleme an den Gleisen gibt, könnte das Bremerhaven blühen“, sagt Susanne Ochse von Greenpeace. Denn nach wie vor ist das Umschlagen hochradioaktiven Materials in Bremens Häfen nicht verboten. Lübeck und Emden hatten hingegen bereits vor zehn Jahren nach massiven Protesten von UmweltschützerInnen und Anwohnern ihre Häfen für Atommüll gesperrt. Die „Teilentwidmung“ des städtischen Hafens sei damals aufgrund eines Bürgerschaftsentschlusses und „im Einvernehmen mit den Reedereien“ erfolgt, betont man im Lübecker Hafenamt. „Wenn entsprechende Anfragen von Spediteuren kommen, dann sagen wir höflich: Nein, bei uns nicht“, erklärt ein Mitarbeiter.

Im Fall des Landeshafens Emden war nach mehreren Schleusenblockaden durch AtomkraftgegnerInnen Anfang der 90-er Jahre sogar die niedersächsische Landesregierung aktiv geworden. „Gefahrgüter, die als Atommüll oder Sondermüll einzustufen sind, dürfen im Emdener Hafenbereich weder gelagert, im Transit befördert noch umgeschlagen werden“, heißt es seitdem in der Hafenordnung. Auch in Kiel, Hamburg und Wilhelmshaven waren Atomtransporte wegen Protesten abgelehnt worden. Die Nuklearbranche wich jeweils auf einen anderen Hafen aus.

Noch vor wenigen Jahren wurden Transporte radioaktiver Güter über Bremerhaven regelmäßig von Demonstrationen und Protestaktionen begleitet. Zuletzt wurde Ende 1997 ein Plutoniumtransport von Greenpeace-Aktivisten 15 Stunden lang blockiert. Beim letzten Transport in der Nacht auf Montag trafen die Spediteure nicht auf großen Protest. Nur ein paar Greenpeace-AktivistInnen jetteten in ihren Schlauchbooten durch den Hafen.

„Ich habe erst aus dem Fernsehen von dem Transport erfahren“, entschuldigt sich Manfred Schramm, Grünen-Hafenspezialist und Bürgerschaftsabgeordneter aus Bremerhaven. Die viertel Tonne Plutonium, die Sonntag Nacht in Bremerhaven landete und im LKW nach Hanau rollte, sei an seiner Partei „ein bisschen vorbeigegangen.“

Die „Teilentwidmung“, sprich: Sperrung des Bremer Hafens für Atomtransporte, die auch Schramm lange gefordert hatte, hält der Grüne jedoch inzwischen selbst für „juristisch schwierig“ und politisch im Moment nicht durchsetzbar. Dafür, dass es seinen Hafen der Bundesrepublik zur Verfügung stelle, erhalte Bremen vom Bund und den anderen Ländern eine „Hafenlastabgeltung“, sagt Schramm: „An dieser ,Dienstleistungspflicht' Bremens hängt sogar die Existenz des Bundeslandes.“

Die brisante Fracht ist längst in Hanau angekommen, als sich die umweltpolitische Sprecherin der Bremer Grünen, Karin Mathes, beim Bundesamt für Strahlenschutz nach der Sicherheit des Atom-Schiffes erkundigt. Denn der giftige Strahlenmüll aus Schottland hatte die Nordsee in einer normalen Ro-Ro-Autofähre überquert. In einem 1996 vom Bremer Senator für Wirschaft und Häfen in Auftrag gegebenen Gutachten zur Sicherheit der Atomtransporte im Land Bremen heißt es dazu: „Schiffe dieser Bauart haben in Bezug auf das Risiko eines Versagens der Bug- und Heckklappe-Abdichtung konstruktiv keinerlei Sicherheitsreserven.“

hoi