Heiß, so heiß

Weite Wüste Cowboyland: Heute verwandeln die Friends of Dean Martinez das Silverwings in die staubtrockene Essenz amerikanischer Kultur

Eigentlich wären der Steel-Gitarrist Bill Elm und ein paar Kumpels aus dem Umfeld der großartigen Band Giant Sand gerne Dean Martins Freunde geworden. Dessen Agenten und Nachlassverwalter aber fanden das nicht lustig und drohten mit Klage. Deshalb und weil sie solche Anbiedereien auch nicht nötig haben, hielten sich die Friends of Dean Martinez dann doch lieber an den heimlichen mexikanischen Zwilling des Schnulzensängers. Der besingt in einer abgerockten Bar irgendwo in der Pampa das Ziehen in seinem Herzen und vergnügt sich mit dünnem Bier. Von der Landschaft um dieses Szenario herum weiß man nicht genau, ob sie nun noch zu Mexiko oder schon zu den USA gehört. Und hier, in dieser Bar, sitzen eben auch besagte Friends of Dean Martinez mit halb geschlossen Augen rum, wippen ein bisschen mit dem Fuß und haben ihren ganz eigenen Film im Kopf. Dieses Bild – Dean Martins Rechtsanwälten sei Dank – passt auf jeden Fall besser zur Musik der Friends of Dean Martinez als das Flair Dean Martins.

Die Welt, die sie mit ihrer filmmusikartigen Musik kaleidoskopartig abbilden, liegt im amerikanischen Südwesten. Dort wo es immer heiß ist, so heiß, dass man gar nicht erst den Wunsch entwickelt, sich kalifornisch in der Sonne rumzutreiben, sondern lieber hinter heruntergelassenen Jalousien alkoholische Kaltgetränke schlürft und Melancholie pflegt. Da, wo die Natur so monumental ist, dass sie zwar prima als Kulisse funktioniert, dass man sich in ihr als Mensch aber verloren vorkommt. Und wo das Leben zwischen Armeebasen, trailer parks, Boomtowns wie Phoenix und Indianerreservaten, mexikanischen Wanderarbeitern und endlosen strip malls am Straßenrand ein viel schillernderes Mosaik ergibt, als man es in diesem cowboy heartland, der staubtrockenen Essenz amerikanischer Kultur, vermuten würde. Dieses Bild in atmosphärische Instrumentalmusik zu übersetzen, das sind die Friends of Dean Martinez ganz groß drin. Flirrend und surrealistisch, wie der Soundtrack zu einem Roadmovie, in dem nicht der Reisende, sondern die Straße selbst die Hauptrolle spielt – oder allenfalls noch die Kojoten, die sich auf ihr guten Tag sagen.

Das klingt dann düster-schwer und plüschig-sehnsuchtsvoll, nach Spaghetti-Western und Saloon, nach Surfgitarren mit Country-Echo, mal brechend laut, dann wieder ganz filigran. Die Rezeptur ist ähnlich wie bei den erfolgreicheren Kollegen von Calexico, deren Frontmänner Joey Burns und John Convertino bei den frühen Friends of Dean Martinez stilprägend mit dabei waren. Trotz des ähnlichen Ansatzes hat man sich in den letzten Jahren über insgesamt 6 Platten ziemlich unterschiedlich entwickelt. Die Melange der Friends of Dean Martinez schmeckt ganz schön anders, viel herber und fulminanter. Das kitschig-folkloristische Element, mit dem Calexico an das hierzulande ziemlich gut ausgebaute Marktsegment Buena Vista Social Club andocken können, fehlt bei den Friends of Dean Martinez jedenfalls total.

Das liegt wohl auch daran, dass bei ihnen nicht gesungen wird und sie zumindest nicht über die Texte herzzerreißende Geschichten erzählen können. Prima Musik macht die mittlerweile auf drei Mitglieder geschrumpfte Band trotzdem. Man fühlt sich beim Zuhören jedenfalls geradezu gezwungen, sich auf das Sofa zu legen und die Augen zuzumachen. Schade eigentlich, dass man bei so einem Konzert stehen muss. Dafür klingt die Musik da aber gleich noch doppelt so atmosphärisch wie vom Tonträger.

STEPHANIE GRIMM

Heute um 21 Uhr im Silverwings, Columbiadamm 8, Tempelhof