Polizisten werden Individuen

Ampelkoalition plant Kennzeichnung von Beamten. Grüne wollen Namensschilder, FDP will Nummern. GdP kündigt Klage an. Chef der Schutzpolizei: Schilder nur im Streifendienst

von PLUTONIA PLARRE

Es war keine Übertreibung, als der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg, mit Blick auf die drohende Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte ankündigte: „Das wird Ärger geben.“ Nach allem, was aus der Fachgruppe dringt, die die Koalitionsverhandlungen zum Thema innere Sicherheit führt, sind sich SPD, Grüne und SPD in der Frage weitgehend einig: Die Polizeiangehörigen der geschlossenen Einheiten sollen zukünftig sichtbare Schilder an der Uniform tragen. Damit wäre Berlin das erste Bundesland, in dem die Polizisten der geschlossenen Einheiten individuell gekennzeichnet sind.

Die Forderung nach Namensschildern für Polizisten wird seit über 25 Jahren von Bürgerrechtsgruppen erhoben. Dass die Angehörigen der geschlossenen Einheiten bei Demonstrationseinsätzen wie am 1. Mai wesentlich aggressiver auftreten, wenn sie im Schutz der Anonymität agieren können, ist ein langjähriger Erfahrungswert. Ein Verfahren wegen Körperverletzung im Amt und dienstrechliche Konsequenzen haben Schläger in Uniform kaum zu befürchten, weil sie in der Regel der Fälle nicht identifiziert werden können. In grünem Einsatzanzug und weißem Helm gleichen sie wie ein Ei dem anderen, zumal dann, wenn das Visier heruntergeklappt ist.

Eine individuelle Kennzeichnung, die auch auf Fotos und Videomitschnitten zu erkennen wäre, könnte Abhilfe schaffen. Die Grünen sind für ein Namensschild, die FDP für eine Nummer. Herauskommen wird vermutlich eine Buchstaben-Nummern-Kombination.

Nach anfänglichem Mauern hat nun auch die SPD Zustimmung signalisiert. „Das Vermummungsverbot muss auch für die schwarzen Schafe in den Hundertschaften gelten“, verlautet dazu aus SPD-Kreisen. Die Kennzeichnung sei auch ein Beitrag zum Schutz für die zu „98 Prozent anständigen“ Polizisten.

Die Gewerkschaft der Polizei kündigt dennoch Widerstand auf ganzer Linie an. Man werde gegen die Maßnahme durch alle Instanzen klagen, drohte der GdP-Vorsitzende Schönberg an. Die Beamten seien durch die Sparvorhaben und Überstunden schon genug verunsichert. Nun müssten sie auch noch Repressalien und falsche Anzeigen aus der Bevölkerung fürchten.

Der Bundesvorstandschef der GdP, Konrad Freiberg, sprach in einer scharfen Protestnote sogar von einer Degradierung zu „Freiwild“. Nicht nur die Beamten, auch deren Familien könnten gefährdet werden, „wenn das kriminelle Milieu“ über solche Namensschilder die Privatadresse ausforschen könne.

Im Gegensatz zur GdP, die grundsätzlich gegen eine Kennzeichnung ist, egal ob es sich um Streifenbeamte oder geschlossene Einheiten handelt, hält der Chef der Schutzpolizei, Gernot Piestert, für Teile der Polizei eine Kennzeichnung an der Uniform durchaus für sinnvoll. Er sei ein „absoluter Verfechter von Namenschildern“, sagt Piestert. Allerdings nur für Beamte, die „in Grün-Beige“ Streifendienst auf der Straße tun. Rechtsstaatlich handelnde Beamte hätten keinen Grund, sich zu verstecken.

Das Gerede der GdP von der Angst vor Repressalien sei „dummes Zeug“, meint Piestert. Über die geschlossenen Einheiten legt aber auch der Chef der Schutzpolizei seine schützende Hand: „Am grünen Einsatzanzug hat weder ein Name noch eine Nummer etwas zu suchen.“ Die Polizisten müssten erst mal Vertrauen fassen und Erfahrungen sammeln, plädiert Piestert für kleine Schritte.

In den geschlossenen Einheiten zeigt man sich über das Vorhaben alles andere als begeistert. Auch dort ist von der Sorge vor Missbrauch und von Angst um die Familien die Rede. Nummern werden mit der Begründung abgelehnt, auch diese seien keine Lösung, weil die Gefahr von „Zahlendrehern“ bestehe.