Ronald Pofalla möchte noch immuner werden

Der CDU-Abgeordnete Ronald Pofalla ficht in Karlsruhe für mehr Sorgfalt bei der Aufhebung der Immunität eines Bundestagsmitglieds

KARLSRUHE taz ■ Dass ein Bürger zu Unrecht einer Straftat verdächtigt wird, kann auch im Rechtsstaat vorkommen. Was aber, wenn der Bürger zugleich Abgeordneter des Deutschen Bundestags ist? Benötigt er dann besonderen Schutz gegenüber der Strafverfolgung? Diese Frage versucht gerade das Bundesverfassungsgericht im Fall des CDU-Abgeordneten Ronald Pofalla zu klären.

Ausgerechnet drei Tage vor der NRW-Landtagswahl, bei der Pofalla für die CDU als neuer Justizminister bereitstand, wurden im Sommer 2000 seine Wohnung und sein Büro durchsucht. Vorgeworfen wurde ihm Steuerhinterziehung – ein Verdacht, der sich bald wiederlegen ließ. NRW-Justizminister Jochen Dieckmann entschuldigte sich und entließ seinen Generalstaatsanwalt. Pofalla aber lässt nicht locker. „Hier wurde meine Integrität als Anwalt beschädigt und meine Chancen im Wahlkampf behindert“, kritisierte er gestern in Karlsruhe. Er warf dem Immunitätsausschuss des Bundestags vor, leichtfertig die Immunität aufgehoben zu haben. „Hier gibt es ein System der organisierten Unverantwortlichkeit.“ Tatsächlich beschließt der Bundestag zu Beginn jeder Legislaturperiode, dass Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete grundsätzlich zulässig sind, eine ausdrückliche Beschlussfassung ist nur erforderlich, wenn ein MdB angeklagt oder inhaftiert werden soll. Bisher diente die Immunität nur dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Parlaments, Pofalla will sie zu einem Schutzrecht für die Abgeordneten weiterentwickeln. Sein Rechtsvertreter, der Hannoveraner Professor Hans-Peter Schneider, glaubt, dass Abgeordnete einen besseren Schutz vor fälschlicher Strafverfolgung benötigen: „Parlamentarier gelten in der Öffentlichkeit als Vorbild. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren kann diese Stellung deshalb besonders beeinträchtigen.“

Dagegen hielt der Hagener Rechtsprofessor Martin Morlock, der gestern den Bundestag vertrat, jede Privilegierung der Abgeordneten für verfehlt. „Es kann doch nicht sein, dass Herr Pofalla im NRW-Wahlkampf besonderen Schutz genießt, nur weil er Abgeordneter des Bundestages ist. Andere Wahlbewerber haben auch keinen speziellen Schutz gegen ungerechtfertigte Strafverfolgung.“ Morlock glaubt auch nicht, dass die verbesserte Prüfung des Bundestags bei der Aufhebung der Immunität Sinn machen würde: „Wenn Sie in derartigen Situationen das Ansehen eines Abgeordneten in der Öffentlichkeit verteidigen wollen, müssten Sie die Vorzensur der Medien einführen.“ Mit einem Urteil ist erst in einigen Wochen zu rechnen.

CHRISTIAN RATH