Afghanische Fraktionen beraten in Berlin

Bevor die Afghanistan-Konferenz in Berlin beginnen kann, muss über die Teilnehmer erst noch entschieden werden

DELHI taz ■ Mit der Ankündigung der UN-Afghanistan-Konferenz in Berlin beginnt der Countdown für eine politische Lösung. Jetzt muss sich entscheiden, wer in welcher Form teilnimmt. Unbestritten sind bisher nur die Vertreter von Exkönig Sahir Schah. Auch die in Kabul sitzende Nordallianz ist dabei, doch ist sie sich nicht über die Zusammensetzung ihrer Delegation einig. Die Nordallianz wird dominiert von den Tadschiken der Jamiat Islami von Burhanuddin Rabbani, offizieller afghanischer Präsident. Neben Außenminister Abdullah Abdullah werden die Warlords der Allianz Sitze verlangen, darunter Raschid Dostum, Herr über Masar-i Scharif, Ismail Khan, Gouverneur von Herat, und Hasara-Führer Karim Khalili.

Gestern traf der stellvertretende UN-Sonderbotschafter Francesco Vendrell Paschtunen-Führer südlich von Kabul. Doch deren Legitimität bleibt offen. In mehreren Provinzen gaben die bisherigen Machthaber ihre Positionen an Mudschaheddin ab, von denen einige früher mit den Taliban zusammengearbeitet hatten oder als solche auftraten. In anderen Provinzen wurden die Taliban vertrieben, aber bei den neuen Herren scheint die ethnische Couleur ein wichtigeres Kriterium zu sein als die frühere Parteibindung. So ist in der Nangarhar-Provinz mit ihrem Zugang zum Khyberpass Gouverneur Haji Qadir nominell zwar Mitglied der Nordallianz, doch in einem Interview attackierte er jetzt Präsident Rabbani. Qadirs Gouverneursrat in Dschalalabad ist zudem mit anderen Parteien durchsetzt, die sich gegenseitig nicht trauen.

Eine weitere Unsicherheit ist, dass die Taliban in den Provinzen Kandahar und Helmand noch an der Macht sind und daher einen Sitz bei der Konferenz beanspruchen könnten. Das schließen die Nordallianz und die Anti-Terror-Koalition aus, doch die UNO bisher nicht. Die Resolution 1378 spricht diplomatisch nichts sagend vom Einschluss aller anderen „bestehenden Prozesse“. Dies bringt auch die Einbeziehung ausländischer Mächte ins Spiel. Werden dies die acht Länder – sechs Nachbarstaaten plus Russland und USA – sein oder die 21 Staaten, die letzte Woche vom UNO-Sonderbeauftragten Lakhdar Brahimi zusammengerufen wurden? Die USA halten weiter Distanz zum gegenwärtigen Regime in Kabul. Auch die EU macht inzwischen ihre Hilfe vom Wohlverhalten der Nordallianz abhängig. Beides verfehlt seine Wirkung nicht. Rabbani forderte jetzt alle Parteien auf, Rache und ethnische Konflikte hinter sich zu lassen und „zum Aufbau einer unabhängigen und repräsentativen Zentralregierung beizutragen“. Was er nicht aussprach, sagte dafür Außenminister Abdullah: Er versicherte, Rabbani werde selbstverständlich zurücktreten. Und zu Rabbanis Forderung eines Abzugs fremder Truppen sagte Abdullah, das britische Kontingent in der Luftwaffenbasis Bagram sei willkommen. Es heißt, Rabbani sei auch unter den Tadschiken isoliert. Während er die bevorstehende Konferenz als „symbolisch“ abwertete, soll sie laut dem optimistischen Vendrell die ersten Schritte für einen „Übergangsrat“ fassen. BERNARD IMHASLY