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: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Wenn es ein Filmgenre gibt, dessen Reize sich ausschließlich im Kino mitteilen, dann ist es der Monumentalfilm. Denn die nicht gerade als Träger übermäßig intelligenter Ideen berühmten Sandalenepen machen nur dann wirklich Spaß, wenn man sich als Zuschauer vor der großen Leinwand von den einstürzenden Pappsäulen fast erschlagen vorkommt. Die Existenzberechtigung des Antikfilms liegt in seinen Schauwerten – nicht umsonst erlebte das Genre sein großes Comeback in den 50er-Jahren, als es galt, die neuen Breitwandformate mit gewaltigen Statistenheeren, üppigen Dekorationen und überlebensgroßen Heroen auszufüllen. Als Hohepriester des Genres darf man zweifellos Cecil B. DeMille bezeichnen. Kein anderer Regisseur hat das Publikum im Laufe seiner Karriere so oft mit der immer etwas naiven Mischung aus Spektakel, Religion und Sex unterhalten. Wobei der Antikfilm das wohl einzige klassische Genre sein dürfte, das sich regelmäßig auch an – mehr oder minder – schönen Männerkörpern delektiert. Also dürfen auch Yul Brynner und Charlton Heston in DeMilles „The Ten Commandements“ ihre Muskeln spielen lassen: Brynner als großspuriger Pharao Ramses, dem schließlich die sieben Plagen ordentlich zu schaffen machen, und Heston zunächst als Muster-Pharaonenziehsohn Moses mit Prinzentolle, später dann als graubärtiger Zausel, der das Rote Meer teilt und mit den zehn Geboten nur so um sich schmeißt, während die Tricktechniker psychedelische Lichteffekte an den Studiohimmel zaubern. Einen etwas intellektuelleren Zuschnitt besitzt Anthony Manns Drama „The Fall of the Roman Empire“, das neben unverzichtbaren Schauwerten und Actionhöhepunkten auch diverse Abschweifungen in lustig-philosophische Bereiche aufzuweisen hat, für die vor allem James Mason als Philosoph und Germanen-Zähmer Timonides verantwortlich zeichnet. Das im Gegensatz zum bunten DeMille-Spektakel eher düster gestaltete Epos erzählt eine ähnliche Geschichte wie Ridley Scotts „Gladiator“: Als der auf seine alten Tage friedensbewegte Kaiser Marcus Aurelius lieber den Heerführer Livius als seinen unfähigen Sohn Commodus als Nachfolger einsetzen will, putscht sich Letzterer zur Macht. Von nun an geht’s bergab mit dem Römischen Reich ... Ebenfalls mehr Denkstoff als gewöhnlich bietet Stanley Kubrick in „Spartacus“: Der Film um einen letztlich scheiternden Sklavenaufstand reflektiert seine eigenen Schauwerte, bietet Raum für großes Schauspiel von großen Stars (Olivier, Ustinov, Laughton, Simmons, Curtis) und inszeniert den guten, alten Masochisten Kirk Douglas als einen am Kreuz endenden Prä-Jesus. Bleibt noch der Film, ohne den auch die vom Zeughauskino im Filmkunsthaus Babylon veranstaltete Antik-Filmreihe natürlich nicht auskommen kann: „Ben-Hur“, hier einmal nicht in der Version mit Nussknackergesicht Heston, sondern als Stummfilm von Fred Niblo aus dem Jahr 1925 mit nicht weniger spektakulären Szenen vom berühmten Wagenrennen und einer dramatischen Seeschlacht.„The Ten Commandements“ (OF) 27. 11., „The Fall of the Roman Empire“ (OF) 28. 11., „Spartacus“ 26. 11., „Ben-Hur“ 25. 11. im Filmkunsthaus Babylon

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Kaum weniger spektakulär geht es in „Napoléon“ (1927) von Abel Gance zu: Drei Jahre Drehzeit, Tausende von Komparsen und Hunderte von Technikern benötigte der Regisseur, um sein Kaiserporträt als monumentalen Avantgardefilm in Szene zu setzen. Da fliegen Kameras wie Schneebälle durch die Gegend oder fallen mit dem Beil der Guillotine in die Tiefe, das Polyvision-Verfahren bietet Gance auf drei Leinwänden die Möglichkeit, wahlweise ein Breitwand-Panorama zu schaffen oder wie bei einem Triptychon das mittlere Bild durch die beiden äußeren zu kommentieren.„Napoléon“ 22. 11. im Arsenal 2

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Nach so viel Monumentalität nun noch der Hinweis auf komplizierte Filigranarbeit: In jahrelanger mühevoller Bastelei schuf Lotte Reiniger ihre Scherenschnittfilme, in denen sie allein mit ein wenig Papier Märchenwelten um orientalische Prinzen in prächtigen Palästen und exotische Tiere in geheimnisvollen Wäldern zum Leben erweckte. So auch in „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“, dem ersten abendfüllenden Animationsfilm der Kinogeschichte.„Die Abenteuer des Prinzen Achmed“, 24. 11. im Filmkunsthaus Babylon

LARS PENNING