Argentinien tauscht Chaos gegen Zusammenbruch

Weil Regierung bankrott ist, sollen Gläubiger sich auf Schuldentausch einlassen. Doch Konzept funktioniert nicht: Länderrisiko steigt, Börse stürzt ab

SANTIAGO DE CHILE taz ■ So hatte sich das der argentinische Finanzminister Domingo Cavallo nicht vorgestellt: Da schiebt er den größten Schuldentausch der Geschichte an. Doch statt der erhofften Erleichterung bricht alles zusammen.

Am Montag hatte der Deal begonnen. Argentinische Gläubiger sollten 60 Milliarden Dollar in hochverzinslichen Anleihen in neue Titel umtauschen, die höchstens noch sieben Prozent Rendite bringen. Am Dienstag stürzte die Börse in Buenos Aires um fast fünf Prozent ab. Das Länderrisiko für Investoren explodierte auf über 3.000 Basispunkte und liegt damit um mehr als 1.000 Punkte über dem von Nigeria und etwa viermal so hoch wie das russische. Argentinische Schuldentitel wurden zum Preis von 30 Prozent ihres Nennwerts gehandelt. Und vor dem Präsidentenpalast demonstrierten mehrere tausend Gewerkschafter.

Eigentlich wollte Cavallo mit dem Tausch viel Geld sparen. Wenn die inländischen Anleger ihre Titel im Wert von 60 Milliarden Dollar getauscht hätten, sollten Anfang kommenden Jahres noch einmal 42 Milliarden von internationalen Anlegern dazukommen. Zusammengenommen sollte das die Zinslast um vier Milliarden Dollar senken. Argentinien könnte die Zinsen für seine 132 Milliarden Dollar Schulden wieder bezahlen.

Doch statt zu tauschen, versuchen die Anleger, die faulen Anleihen so schnell wie möglich loszuwerden. Egal, zu welchem Preis. Denn Cavallo genießt längst kein Vertrauen mehr. Noch im Juni hatte er dem Internationalen Währungsfonds felsenfest versprochen, er werde das Finanzjahr ohne Defizit abschließen. Am Montag gestand er ein, dass er das Ziel nicht erreichen werde. Denn die Arbeitslosigkeit steigt ohne Unterlass, und entsprechend sinken die Steuereinnahmen des Staats.

Für das kommende Jahr hat Cavallo eine weitere Senkung der Staatsausgaben um 15 Prozent angekündigt. Wo gespart werden solle, sagte er nicht. Öffentliche Krankenhäuser haben schon längst keine Medikamente mehr, Gehälter und Renten wurden bereits gekürzt. Doch der Bevölkerung, so Cavallo, würden noch einmal „große Opfer“ abverlangt. Das rief die Gewerkschaften auf den Plan. Nach dem Beginn des großen Schuldentauschs sieht es so aus, als käme alles Übel auf einmal: Mit weiteren Sparmaßnahmen löst Cavallo soziale Proteste aus. Aber zahlungsunfähig wird das Land trotzdem.

TONI KEPPELER