Zum Nickerchen an die Ostsee

Die Delegierten des Berliner Landesverbandes wollen sich auf dem Bundesparteitag in Rostock mehrheitlich für einen Verbleib in der Bundesregierung einsetzen

Die Mehrheit der Berliner Grünen will die rot-grüne Bundesregierung fortsetzen. Auf dem Bundesparteitag, der morgen in Rostock beginnt, wollen die meisten der 45 Delegierten aus der Hauptstadt gegen einen Ausstieg aus der Regierung stimmen.

Zwar lehnt die überwiegende Mehrheit der Kreisverbände einen Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan weiterhin entschieden ab. Doch auch in Berlin hat man sich inzwischen der Sprachregelung angeschlossen, wonach über Krieg und Koalition getrennt entschieden werden müsse. Die Landeschefin Regina Michalik zählt zu den Unterzeichnern eines Antrages, in dem die von Kanzler Gerhard Schröder vorgenommene Vermengung von „Sach- und Gewissensfrage“ im Bundestag als „erpresserischer Akt“ verurteilt wird. Auch der Berliner Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele, der im Parlament gegen die Entsendung deutscher Soldaten votiert hatte, will die beiden Fragen getrennt behandelt wissen. Die Grünen müssten in der Regierung bleiben, um in der Innenpolitik Schlimmeres zu verhindern, sagte Ströbele bei einer Sitzung des grünen Landesausschusses am Mittwochabend.

„Eine Revision des Entsendebeschlusses des Bundestages hat keinen Sinn“, meinte auch Jörn Jensen vom Kreisverband Mitte. „Wir müssen aber eine kritische Diskussion über das Verhalten von Bundesvorstand und Fraktion führen.“ Die Grünen müssten für zukünftige Fälle „vorab deutlich machen, wo die Ausstiegsgrenze ist“.

In Berlin wollen bisher nur die Kreisverbände Kreuzberg und Spandau den Weg in die Opposition wählen. „Zwei Drittel sind für einen Ausstieg aus der Koalition“, berichtete Dirk Behrend aus Kreuzberg. Uneinig ist man sich in Steglitz-Zehlendorf.

Die Bezirksverbände Tempelhof, Schöneberg, Treptow-Köpenick sowie Charlottenburg-Wilmersdorf und Mitte werden am Wochenende dagegen klar für eine Fortsetzung der Koalition stimmen. Selbst die Grüne Jugend sprach sich mit deutlicher Mehrheit für den Verbleib in der Regierung aus. Noch vor zwei Wochen hatte der Landesverband die Ablehnung einer direkten oder indirekten Beteiligung deutscher Soldaten am Krieg in Afghanistan beschlossen.

Allein in Berlin haben die Grünen nach den Terroranschlägen in New York und Washington nach Angaben von Landesvorstandschefin Michalik rund 80 Austritte zu verzeichnen, die mit der Haltung der Partei zum Afghanistankrieg begründet wurden. Weitere Mitglieder haben ihren Abschied bereits angekündigt, falls der Bundesparteitag für die Fortsetzung der Koalition stimmen sollte. Allerdings konnte Michalik für den gleichen Zeitraum auch einen Neuzugang vermelden: „Wegen der diplomatischen Kompetenz unseres Außenministers.“

ANDREAS SPANNBAUER