bella figura trinkt mumm
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von WIGLAF DROSTE

Größten Wert darauf, Gerhard Schröder bei seinem Kriegskurs zu stützen, legen seit dem 16. November einige Berliner Publizisten. Nachdem sich zuvor das übliche Unterschriftstellerkartell um Günter Grass und Walter Jens staatstragend kritisch über den Krieg in Afghanistan verbreitete, machten die nicht weniger notorischen Quakis Wolf Biermann, Henryk M. Broder, Herta Müller, Peter Schneider, Rafael Seligmann u. ä. ein Konkurrenzfass auf: „Wir unterstützen die feste Haltung der Bundesregierung im Afghanistan-Konflikt.“ Flink wird aus einer geglückten Erpressung eine feste Haltung und aus einem Krieg ein Konflikt. Um Krieg geht es in dem Papier ohnehin nicht; es gilt vielmehr, allen nicht Kriegsversessenen den Anpruch zu nehmen, „im Namen der deutschen Schriftsteller und Intellektuellen zu sprechen“. Aber wer, sofern bei Trost, hätte schon Lust, im Namen von eibrotweichen Gestalten zu sprechen, die sich doch immer auf die Seite der Macht schlagen – wenn auch nicht ganz so klassenstreberhaft und eilfertig wieselnd wie die Berliner Kriegsfreunde?

Zu denen gesellte sich bedauerlicherweise auch Katharina Rutschky und verbeugte sich in der Berliner Zeitung vom 19. 11. noch ein bisschen tiefer: „Schröder und Fischer sind nicht nur medientauglich und machtbewusst, ihr Job scheint ihnen auch Spaß zu machen.“ Das Loblied auf Sekundärtugenden ist die Ouvertüre zu einer geradezu mädelhaften Verzückung: „Zumal Gerhard Schröder darüber hinaus bella figura als Mann macht.“ Ooops, was ist da passiert: „bella figura als Mann“, und als Projektionsfläche: „Das Bild nach der Abstimmung am Freitag, wo er die SPD-Abweichlerin Christa Lörcher freundschaftlich umarmt, zeigt einmal mehr eine sympathische Souveränität, die Humor und Großzügigkeit nicht ausschließt. Wenn Schröder ein Macho ist, wie viele Kommentatoren der Freitagsereignisse hervorgehoben haben, dann kann ich als Bürgerin und Frau ganz gut damit leben.“ Was geht vor in der „Bürgerin und Frau“ Rutschky? Solches Zeug: „Darf man als Frau da mal ein wenig insinuieren, dass auch bei unseren Friedensfreunden die Kombination des Bundeswehreinsatzes mit dieser Kanzlerpersönlichkeit ein wenig genitale Erregung provoziert hat, die ihr Urteil trübt?“

Dass restgenitale Kriegsbegeisterung eine schlechte Angewohnheit vor allem älterer Mitbürger ist, belegt die Empirie. Wenn Frau Rutschky in leicht feuchtem Tone den Kanzler für seinen „Mumm“ anhimmelt und, seine Widersacher betreffend, allerlei Vages insinuiert vulgo unterstellt, dann könnte man schon seinerseits darüber mutmaßen, was in den Haushalten unserer Kriegsgutfinder alles nicht mehr so klappt – wenn man das denn wissen wollte. Und ist mit „Mumm“ der schlechte Sekt gemeint?

Den Krieg beklatschende und sich auf der Seite der Gewinner glaubende Intellektuelle sind die Regel, nicht die Ausnahme, und immer verkaufen sie ihr Meutentum als abweichende Haltung. Katharina Rutschky hat das selbst erkannt. Ihr jüngstes Buch, „Der Stadthund“, hat den Untertitel „Von Menschen an der Leine“.