Bio aus der Kiste

■ Der Weg aus der Nische führt zum ökologischen Supermarkt

Peter Hinz hat bei Aldi gelernt. Nicht nur das: Bis zum Geschäftsführer eines Logistik-Zentrums für 75 Supermärkte brachte es der Kaufmann bei der Billigladen-Kette. Seit Ende September praktiziert er einen Teil der Aldi-Philosophie im Reich der Ökoläden. Sein Biodiscounter im Uni-Viertel ist das extremste Beispiel für den Wandel der Branche in Hamburg: Das Tante-Emma-Prinzip kommt jetzt auch im einstmals alternativen Sektor unter Druck.

Drei Bio-Supermärkte sind in diesem Jahr in Hamburg eröffnet worden. Zwei weitere sollen in Planung sein, ein dritter Interessent hat das Experiment vorläufig abgebrochen. „Die BSE-Geschichte ist gewaltig abgeflaut“, sagt Jörg Rühr, der den ersten Supermarkt am S-Bahnhof Bahrenfeld eingerichtet hat.

Dennoch wollen weder Rühr noch Hinz über Mangel an Kundschaft klagen. Dass das Geschäft brummt, zeigt sich daran, dass der Ottenser Bioladen „Achaldan“ unlängst in die ehemaligen Räume eines Supermarktes in der Ottenser Hauptstraße umgezogen ist. 15 MitarbeiterInnen verkaufen dort auf 500 Quadratmetern ein Sortiment aus 2000 bis 2500 Produkten.

„Es ist im Grunde eine ganz neue Generation Bioladen“, sagt Achaldan-Geschäftsführer Reinhard Schwede. Wegen des zunehmenden Interesses an ökologischen Lebensmitteln sei das 1979 eröffnete alte Geschäft zu klein geworden. Mit der Erweiterung des KundInnenkreises seien außerdem die Ansprüche an die Auswahl an Waren, deren Präsentation und an die Bequemlichkeit gewachsen: Durch den neuen Laden lassen sich normale Einkaufswagen schieben, und auch mit einem Kinderwagen komme man problemlos durch die Gassen, verspricht Schwede.

Auch Jörg Rührs Bioläden sind immer größer geworden. Er begann in Eutin, expandierte nach Lübeck und schließlich nach Hamburg, wo 13 MitarbeiterInnen auf 900 Quadratmetern 6000 unterschiedliche Artikel feil bieten – vom ökologischen Hundefutter über Shampoo bis zum Pizzaboden. Die große Auswahl gehört zusammen mit einer Käse-, Wurst und Brottheke zum Konzept; zusätzlicher Service ist der Parkplatz vor der Tür. Unter seinen KundInnen seien durchaus Leute, „die Wagen für 500 Mark vollpacken“, erzählt Rühr.

Deutlich billiger als normale Bioläden ist lediglich Hinzes Discounter. Eine Marke 25 Prozent unterhalb der üblichen Preise peilt er an. Schließlich habe er etwas tun wollen, „damit auch Familien diese hochwertigen Lebensmittel kaufen können“. Öko sei eine tolle Sache, sagt Hinz, die aber auch „in Ökonomie verpackt“ werden müsse.

Logistik und Organisation sollen Hinz zufolge diese Preisvorteile möglich machen. Dazu dürfte der schnellere Warenumschlag durch ein kleines Sortiment kommen: Hinzes zwölf MitarbeiterInnen verkaufen auf 1000 Quadratmetern 1500 unterschiedliche Artikel. Selten nachgefragte Produkte, die lange im Regal liegen und womöglich vergammeln, führt der Laden erst gar nicht.

Auf Akzeptanzprobleme sei die Warenpräsentation im Discounter – direkt aus dem Karton – nicht gestoßen, sagt Heinz. Die große Frage, ob Öko-Produkte „in einen kleinen heimeligen Bioladen“ eingepackt werden müssen, um sich zu verkaufen, hat er für sich mit „Nein“ beantwortet. Das Discounter-Prinzip hält er für den „richtigen Weg, um den Wandel in der Landwirtschaft zu beschleunigen“. Trotzdem bleibe es schwierig, neue KundInnen an Öko-Lebensmitteln zu gewöhnen: Die VerbraucherInnen müssten erstmal „wegkommen von ihren Geschmacksverstärkern“, sagt Hinz. Gernot Knödler