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Wir alle müssen gleicher werden

■ Daniel Cohn-Bendit diskutierte in Bremen mit Felix Kolb von Attac

Auf dem Marktplatz rollen Aktivisten der Sozialistischen Alternative Transparente aus. Gleich beginnt die große Demonstration gegen den Krieg. Die jungen Leute wissen nichts davon, dass wenige Meter weiter im Haus der Bürgerschaft Daniel Cohn-Bendit gerade ein Plädoyer für eine europäische Verfassung hält. „Dann demonstrieren wir eben gleich gegen den mit“, sagen sie.

Die Bremer Heinrich-Böll-Stiftung und das Jean Monnet Zentrum für Europastudien haben den grünen Europa-Parlamentarier und Fischer-Vertrauten eingeladen. Mit dem Attac-Vertreter Felix Kolb diskutiert er die Rolle der EU bei der Globalisierung.

Armut und Arbeitslosigkeit seien Globalisierungs-Folgen, sagt Kolb. Wo die Arbeitslöhne niedrig sind, werde investiert. Lohn-Dumping sei die Folge. Dieser Druck mache es den Regierenden schwer, sozial und ökologisch zu agieren. Nach der Liberalisierung der Steuergesetze zeige sich nun, dass den Staaten Einnahmen fehlen, die für Bildungs- und Sozialmaßnahmen notwendig wären. Dennoch sieht Kolb die europäische Einigung auch als Chance. „Man hat zumindest erkannt, dass Globalisierung politisch reguliert werden muss.“

Als stünde er immer noch auf der Barrikade, erläutert Daniel Cohn-Bendit mit kämpferischer Stimme den Sinn der Europäischen Union. „Konkurrenz der nationalen Kapitale führt zum Krieg“, ruft er ins Mikro. „Deswegen gibt es Europa.“ Es sei Quatsch, dass die europäische Wirtschaftszone Grund für Armut und Arbeitslosigkeit sei. „Die nationalen Märkte würden ebenso handeln, wie der europäische es jetzt tut." Harmonisierung sei jetzt notwendig. „Die EU-Staaten müssen gleicher werden.“

Schon ist der „rote Dani“ bei seinem Lieblingsthema angelangt: der europäischen Verfassung. Nur die EU könne soziale Unterschiede beheben. Es sei an der Zeit, dass eine Verfassung eingeführt werde, die sozial-, bürgerrechts- und umweltpolitische Regularien schafft. „Deswegen soll kein Mitgliedsstaat seine Sozialleistungen zurückschrauben“, erwidert Cohn-Bendit auf die Kritik des Attac-Sprechers. „Es muss aber ein Mindestmaß an Sozialstaat eingeführt werden, das keiner unterschreiten darf.“

Der Grüne nennt Dänemark als Beispiel für den Rechtsruck, der durch Europa geht. Staatenübergreifende Gesetze würden verhindern, dass Extremisten in europäischen Ländern zu viel Macht bekommen, und somit für ein dauerhaft demokratisches Europa sorgen. Die Menschen sollten jetzt engagiert für eine europäische Verfassung eintreten. Denn: „Alle sozialen Verbesserungen in der Geschichte sind Errungenschaften von Klassenkämpfern.“

evl

Am Samstag um 11 Uhr zeichnet Bürgermeister Henning Scherf in der oberen Halle des Rathauses Daniel Cohn-Bendit mit dem Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken aus.

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