Selbstportrait, Schlaflosigkeit und Spiel

■ Überzeugend: Der Performanceabend des Festivals Manufacturing Dance

Eine Frau hüpft und springt in die Luft in kurzen, ruckartigen Bewegungen und ringt lautstark um Atem. So muss es einer Choreographin wohl ergehen, wenn sie sich von Moment to Moment schwingt. So lautet der Titel der neuen Tanzperformance des britischen Duos Walker Dance. Und darin geht es um nichts anderes als das Selbstportrait einer Choreographin. Mit der deutschen Erstaufführung auf Kampnagel eröffneten die beiden am vergangenen Freitag den Performanceabend, Höhepunkt von Manufacturing Dance, dem diesjährigen Festival der Tanzinitiative Hamburg.

In dem Solo erforscht die Tänzerin und Choreographin Fin Walker ihre Bewegungen zu den schrägen Klängen, die ihr Partner Ben Park auf dem Keyboard gemeinsam mit Jub am Kontrabass kreiert. Walkers Bewegungssprache ist einzigartig, hektisch und eckig, oft sprunghaft. Meist drückt sie eine koordinierte Verzweiflung aus, selten Momente der Ruhe. Gleichzeitig zeigt sie sich als sehr präsente und körperlich hochakkurate Performerin.

Die beiden anderen Darbietungen des Abends präsentieren vollkommen andere Ansätze in der zeitgenössischen Tanzchoreographie. Die seit einem Jahr in Hamburg lebenden Anne Rudelbach & Antoine Effroy haben schon beim Junge Hunde-Festival von sich reden gemacht. Hier zeigten sie noch einmal Nuit Blanche, Ideen zu einer durchwachten Nacht. Beide räkeln darin zu Beginn nur mit einem weißen Laken bekleidet ihre Körper auf dem Boden vor einer Leinwandprojektion: eingesetzt für die Filme, die womöglich in ihren Köpfen ablaufen. Ihre Bewegungen sind stets langsam, streng und äußerst konzentriert. Mal finden sie zusammen, reiben sich mit einer weißen Flüssigkeit ein, dann wieder ergeht sich Rudelbach in organischen, katzenartigen Bewegungen. Immer sind sie im Fluss, in perfektem Zusammenspiel mit dem anderen. Die vielen Pausen und die Langsamkeit der Bewegungen verlangen genaues Hinschauen.

Das ergibt sich im dritten Teil des Abends ganz von allein. Denn die beiden Londoner Rick Nodine und Jovair Longo sind wahre Meis-ter der Kontaktimprovisation. Und mit Ongoing geben sie hierfür ein Exempel. Erst laufen sie parallel, dann entspinnen sie Bewegungsabläufe, die nur grob vereinbart sind und sich aus der Improvisation ganz selbstverständlich ergeben. Oft wird der zierliche Longo zum körperlichen Material in den Händen des langen Nodine. Immer scheinen sie sich exakt zu ergänzen, wie in einem Frage- und Antwortspiel. Für die vielen Tanzbegeisterten im Saal ein gelungener Festivalhöhepunkt mit einem überzeugenden, vielfältigen Programm.

Annette Stiekele