Grüne opfern Pazifismus

Überraschend große Mehrheit beim grünen Parteitag in Rostock für Anti-Terror-Einsatz. Fortbestehen der rot-grünen Koalition gesichert. Kritik wegen ziviler Opfer bei US-Angriffen bleibt

ROSTOCK taz ■ Es war viel von Totenbetten und Sterbeglöckchen die Rede auf dem Parteitag der Grünen in Rostock. Am Ende obsiegten die Schalmeienklänge – einhellig priesen grüne Minister, die Parteichefs Claudia Roth und Fritz Kuhn sowie die Fraktionsvorsitzenden Kerstin Müller und Rezzo Schlauch das Votum ihrer Basis. „Wir akzeptieren, dass unsere Abgeordneten mehrheitlich die Bereitstellung von Einheiten der Bundeswehr zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus zugestimmt haben“, lautet der zentrale Satz des Beschlusses. Eher drei Viertel als zwei Drittel der Delegierten hätten für den Leitantrag des Bundesvorstands gestimmt, schätzte Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer. Auf eine genaue Auszählung hatte der Parteitag verzichtet.

Zuvor waren Passagen der Kriegskritiker um den Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele in den Antrag aufgenommen worden. Darin wird u. a. die hohe Zahl ziviler Opfer der US-Angriffe kritisiert, Einsätze außerhalb Afghanistans ohne erneute Befassung durch den Bundestag werden ausgeschlossen. Die Mehrzahl der Änderungen fand die Zustimmung des Bundesvorstands. Die Linke hatte sich zuletzt darauf konzentriert, einen Antrag des Böll-Stiftungs-Vorsitzenden Ralf Fücks und des Europaabgeordneten Daniel Cohn-Bendit zu verhindern, der als noch weitreichendere Unterstützung militärischer Gewalt empfunden wurde. Die zehnstündige Debatte verlief entlang bereits erprobter Konfliktlinien, endete aber mit einer deutlicheren Niederlage der Kriegsgegner als allgemein erwartet. Bundesaußenminister Joschka Fischer hatte Kanzler Gerhard Schröder nachgeeifert und die Abstimmung zu einer Frage des Vertrauens in seine Person und seine Politik gemacht: „Ich bitte um euer Vertrauen. Ich möchte, dass ihr meine Politik hier mit diesem Parteitag unterstützt und mich nicht allein lasst.“ PATRIK SCHWARZ

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