Auffangbecken Karriere

An die Honigtöpfe der Sammler, Käufer und Kuratoren: Die Künstlerförderung in Berlin gerät immer mehr in ein schwieriges Spannungsfeld zwischen öffentlichen und privaten Geldgebern

„Wir wollen Botschaften und Wirtschaftskapitäne ansprechen“

von RICHARD RABENSAAT

„Dreams money can buy . . .“ gibt es bei Peter Funken im Art-On Club in Berlin Mitte zu kaufen. Auf einer Fotografie posiert Martin Kippenberger im Putzfrauenlook mit Wischeimer und Haartuch. Schelmisch blickt er in die Linse. Es scheint, als hätte der bereits verstorbene Künstler schon vor Jahren einen Kommentar zu Entwicklungen in der Kunstszene abgeben wollen, denen heute eigentlich nur mit dem Wischmopp beizukommen ist. „Alles wird glatter, Künstler wollen nur noch Karriere machen. An den Universitäten findet kaum noch ein vernünftiger Diskurs statt“, meint Peter Funken, der sich lange Jahre als Kurator in den verschiedensten Auswahlgremien für die Nachwuchsförderung tummelte und eine Menge Werdegänge beobachtet hat.

Tatsächlich haben es bildende Künstler nicht ganz leicht. Niemand hat auf ihre Meisterwerke gewartet, vor der Präsentation in einer auch nur halbwegs akzeptablen kommunalen Bastelbude steht eine rechte Ochsentour. Wurde vor dem Mauerfall die bildende Kunst noch mit ungefähr 14 Millionen Mark gefördert, so sind es heute gerade noch 7 Millionen. Aber: „Ich kämpfe dafür, dass es wieder 10 Millionen werden“, lässt Kultursenatorin Adrienne Goehler verlauten. Die gegenwärtigen 7 Millionen entsprechen 0,7 Prozent des Kulturhaushalts.

Wie viele Künstler wirklich bundesweit herumwerkeln, weiß niemand. Der Bund bildender Künstler geht in einer auf Zahlen der Künstlersozialkasse basierenden Schätzung von bundesweit ungefähr 12.000 bildenden Künstlern im engeren Sinne aus und vermutet davon 4.500 in Berlin. Ausschließlich vom Verkauf ihrer Arbeiten leben könnten lediglich rund 4 Prozent, schätzt der Vorsitzende des Berufsverbands Bildender Künstler Berlin, Herbert Mondry.

Aber alle wollen sie irgendwie an die Honigtöpfe der Sammler, Käufer und Kuratoren. Manchen gelingt das. Nicht nur Großverdiener wie die Professorin Katharina Sieverding, deren Galerist auf der letzten „Art Forum“-Messe eine mehrteilige Arbeit für 200.000 Mark verkaufte, liegen gut im Rennen. Auch Newcomer wie der Tscheche Jakub Moravek kommen zum Zuge: Er schaffte es, auf dem Marktplatz in den Messehallen Sammler für seine interaktive Installation zu interessieren, die sich von dem nicht allzu hohen Preis von 43.000 Mark nicht schrecken ließen. Zu kaufen gab es bei ihm das rotierende Nichts, einen abgedunkelten Raum, in dessen Innern Applaus umso lauter erschallt, je näher der Besucher den Wänden kommt. Interesse bekundeten Fernsehsender, die möglicherweise im hohlen Jubel der Installation ihren Wirkungskreis wiedererkannten.

Überhaupt nicht zweckfrei und selbstgenügsam allerdings ist die Förderung der „Art Forum“-Messe durch ihren Sponsor, die Investitionsbank Berlin. „Der Staat sollte auch kritische Kunst fördern. Aber als Unternehmen achten wir natürlich darauf, dass wir bei der Förderung eine adäquate Gegenleistung erhalten“, erklärt die Sprecherin des Vorstands der Bankgesellschaft Berlin, Monika Grütters. Ob das Sponsoring der „Art Forum“-Messe ein Erfolg für die Bankgesellschaft werden würde, war im Gründungsjahr 1996 nicht abzusehen. Die damals noch prosperierende „international tätige Finanzholding“, so die vollmundige Selbstdarstellung, erkannte aber dank der rührigen Kunstwissenschaftlerin Grütters schnell, dass sich Investitionen in Kunst nicht nur ideell, sondern auch in Heller und Pfennig rechnen. „Nach der Messe fragen wir die Reaktionen der Galeristen ab und prüfen nach, wie oft die Bank in den Medien genannt und das Logo eingeblendet wird“, beschreibt die in CDU-Kreisen als Diepgen-Nachfolgerin gehandelte Grütters die Evaluation des Bank-Engagements. Den Fördermillionen stehen die eingesparten Werbekosten gegenüber, die Rechnung geht auf.

Natürlich ist die Bank nicht zufällig auf die Idee gekommen, die „Art Forum“-Messe zu fördern. Auch wenn die Vorstandssprecherin gern betont, dass es ihr um „den Transport der Ideen der Kunst“ gehe, welche auch immer das sind, ist ihr der Imagetransfer mindestens genauso wichtig. „Als noch junges Unternehmen schärfen wir unser Profil, indem wir junge Initiatoren, auch in der Kunst, fördern“, so Grütters. Daher war die Bankgesellschaft der European Galleries Projektgesellschaft als den Gründern der „Art Forum“-Messe sehr zugeneigt, als es um eine Ausfallbürgschaft für die Gründungskredite ging.

Nicht ganz so spektakulär, aber mit erheblichem internationalen Renommee für Unternehmen und Künstler ausgestattet, sind andere private Förderprojekte wie das von Philip Morris unterstützte Atelierprogramm des Künstlerhauses Bethanien oder die von der Veag geförderten Videoinstallationen in der Chausseestraße. Auch die ebenfalls von der Bankgesellschaft Berlin ins Leben gerufene „Stiftung Brandenburger Tor“ sieht ihren Förderzweck in der Unterstützung von Nachwuchskünstlern durch Vergabe von Stipendien und Projektförderung.

Investitionen in Kunst rechnen sich nicht nur ideell, sondern auch in Heller und Pfennig

An der Schnittstelle zwischen privatem und öffentlichem Engagement agiert die Investitionsbank Berlin. Seit dem Jahr 2000 managt sie die Künstlerförderung Berlin – erst mit 4 Millionen Mark, mittlerweile nur noch mit 1 Million Mark. Immerhin 400.000 Mark ist der Bank die Kunst wert. Das seit den Fünfzigerjahren entwickelte Spektrum der Förderung ist relativ breit. Dennoch stand die Unterstützung lange in dem Ruch, Auffangbecken für artistische Sozialfälle zu sein. Das ist an den in diesem Jahr bei der Werkschau gezeigten Arbeiten allerdings nicht ablesbar, und überhaupt: „Die Darstellung der Künstlerförderung in der Öffentlichkeit wird sich grundlegend ändern“, erklärt Karla Hendler, die nun bei der IBB das Programm vermarkten soll. Ziel der IBB ist es, im Weg der „Public-Private-Partnership die Künstlerförderung vor allem im Bereich des Marketings mit dem Ziel zu unterstützen, höhere Einnahmen zu erreichen“, so heißt es in der Presseerklärung. Die abgelieferten Arbeiten gehen in das Eigentum des Landes Berlin über, werden Teil einer mittlerweile aus rund 14.000 Werken bestehenden Artothek und tauchen dann gelegentlich auf Gerichtsfluren oder in Verwaltungsvorzimmern auf. Karla Hendler sieht die Zukunft der Werke jedoch in einem anderen Rahmen: „Wir wollen Botschaften, Unternehmensvorstände und Wirtschaftskapitäne ansprechen, denn die Arbeiten gehören nicht in die Abstellkammer.“ Da hat sie sicher Recht, fragt sich nur, ob dies den Künstlern unbedingt zugute kommt.

Die bei der Werkschau gezeigten Bilder von Heike Ruschmeyer sind vermutlich nicht mit dem Vorstand kompatibel. Die virtuose, an der Realität orientierte Malerei der Künstlerin zeigt Rücken von Kindern, die sich in fahlem Weiß aus einem blutroten Hintergrund schälen. Schon seit langem handeln Ruschmeyers Werke von Verletzungen hilflos Ausgelieferter, von unterschwelliger Todesdrohung, von der Bedrängnis Unschuldiger. Grundlage der Intensität ihrer Darstellung ist die tief reichende Beschäftigung mit dem Motiv.

Ruschmeyer könnte nicht, wie der ebenfalls geförderte Sergej Alexander Dott, plötzlich bunte Kühe an Mauerwände montieren, auch wenn dies in höchstem Maße attraktiv für die Mediendarstellung ist. Karla Hendler hat viele Vertreter von Wirtschaftsverbänden durch die Ausstellung geführt, aber: „Die Bilder von Heike Ruschmeyer wollte niemand ausleihen.“ Ob ein vorwiegend wirtschaftlich orientiertes Förderprofil nicht vorauseilenden Gehorsam bei Künstlern, Kuratoren und Fördergremien provoziert, wird sich daher noch zeigen müssen.