„Einfach, aber besser als die Polizeizelle“

Der Flughafensozialdienst in Schönefeld steht vor dem Ende: Die Anschubfinanzierung läuft aus, aber weder Berlin noch Brandenburg will die Anlaufstelle für Flüchtlinge und Not leidende Reisende unterstützen

An der Tür zum Ess- und Fernsehzimmer kleben zwei Bilder: eines mit einem nackten und eines mit einem beschuhten Fuß. Der nackte Fuß ist durchgestrichen. „Die Leute aus Indien kommen nach dem Duschen immer barfuß ins Zimmer“, sagt Lukas, einer der drei Zivildienstleistenden beim Flughafensozialdienst in Schönefeld. „Sie fühlen sich hier so häuslich.“

Gerade sitzen sieben vietnamesische Flüchtlinge im Fernsehraum, dazu ein Moldawier und ein Inder. Sie sehen sich ein Informationsvideo zum Asylverfahren an. Von der Decke hängen gelbe und rote Luftballons, „gute Reise“ und „viel Glück“ ist darauf geschrieben. „Wir sind die erste nichtuniformierte Anlaufstelle für die Flüchtlinge“, sagt Christine Flohr, eine der beiden hauptamtlichen Mitarbeiterinnen. „Es ist zwar einfach hier, aber sicher besser als eine Polizeizelle.“ In diesem Jahr hat der Flughafensozialdienst bislang 485 Flüchtlinge und rund 600 freiwillige Rückkehrer betreut.

Es könnte das letzte Jahr gewesen sein. Denn sollte sich keine neue Finanzierungsmöglichkeit auftun, muss der Sozialdienst im nächsten Jahr schließen. Bislang übernehmen der Caritas Verband und das Diakonische Werk, die beiden Träger der Einrichtung, je 50.000 Mark der Finanzierung; der Landkreis Dahme-Spreewald schießt 140.000 Mark pro Jahr zu. Die gleiche Summe kommt von der Glücksspirale. Und genau die ist jetzt das Problem. Denn die Zahlungen der Glücksspirale sind als Anschubfinanzierung auf drei Jahre begrenzt – und enden im Dezember. Ein neuer Geldgeber ist nicht in Sicht. Das Land Berlin hat sich bereits 1996 aus der Finanzierung zurückgezogen, Brandenburg hat vor drei Jahren einen letzten Zuschuss gewährt.

Seit der Gründung der Anlaufstelle im Jahr 1990 haben sich die Herkunftsländer der Flüchtlinge stark verändert. Damals waren es vor allem Flüchtlinge aus dem Libanon, aus Indien und Bangladesch, die über den Luftweg nach Schönefeld kamen. Seit dem Schengener Abkommen sind es meist Afghanen und Vietnamesen, die von Schleusern über die deutsche Grenze gebracht werden. Wenn Polizei oder Bundesgrenzschutz sie aufgreifen, benachrichtigen die Beamten den Flughafensozialdienst. Die Mitarbeiter bereiten dann ein Essen vor, zeigen das Video und beraten bei Fragen. Anschließend fahren die Zivildienstleistenden die Flüchtlinge in das zentrale Aufnahmelager nach Eisenhüttenstadt.

Die Vietnamesen sehen müde aus. Aber sie beginnen, sich untereinander zu unterhalten, und möchten das Video noch einmal sehen. Christine Flohr spricht mit dem Moldawier über Abreiseformalitäten; Roland Guske, der zweite hauptamtliche Mitarbeiter, versucht, einen vietnamesischen Dolmetscher zu erreichen. „Wir sind hier keine Seelsorger“, sagt Guske, „aber wir versuchen, die Leute aufzunehmen, für die sonst kein Platz ist.“ Das sind neben den Füchtlingen auch geistig Verwirrte, Obdachlose und Reisende in Notsituationen. Der Flughafensozialdienst ist rund um die Uhr geöffnet; im Bedarfsfall können dort zwanzig Menschen übernachten. Das ist nur möglich, weil die Mitarbeiter auch außerhalb ihrer Dienstzeiten in Rufbereitschaft bleiben. Außerdem helfen 35 Ehrenamtliche. „Wir hören von allen Seiten, wie gut unsere Arbeit ist“, sagt Roland Guske. „Aber keiner hat Geld, um uns zu bezahlen.“

FRIEDERIKE GRÄFF