Kleinkunst statt Kontrolle

Seit zehn Jahren arbeitet der Tränenpalast ohne Subventionen. Doch bald wird die ehemalige Grenzabfertigungshalle von der Bahn an die Stadt übertragen. Dann will man sich selbst kaufen

von FRIEDERIKE GRÄFF

Als Prince vor sechs Jahren überraschend im Tränenpalast spielte, versuchte die ausgeschlossene Presse, durch die Ventilatorenschächte zu fotografieren. Auch Herbert Grönemeyer und Otto Waalkes wollten den Kollegen sehen. Aber sie waren den Sicherheitsleuten unbekannt. Marcus Herold half ihnen über den Notauseingang hinein.

Vor zehn Jahren hat Herold, damals Videoproduzent, den Tränenpalast in der ehemaligen Grenzabfertigungsstelle eingerichtet. Musik und Kleinkunst statt Geldumtausch und Zollinquisition. Nina Hagen kam, der alte Georg Kreisler, der eigentlich gediegenere Auftrittsorte gewohnt war, und Tito Puente. Marcus Herold erzählt, wie nervös der Tonmann war, als Tuente nicht zur Tonprobe erschien, der große Tuente, der seit zwanzig Jahren keine Tonproben mehr machte. Das ist heute Herolds letzte Anekdote. Neben ihm sitzt Karsten Borsdorf, der designierte Verwaltungsdirektor des Tränenpalastes.

Es geht es nicht nur um die große Vergangenheit, es geht auch um die finanzielle Zukunft des Kulturhauses. „Die Spielstätte funktioniert subventionsfrei“, sagt Herold. Er sei „sehr optimistisch, dass wir hier noch weitere zehn Jahre Kulturprogramm machen“. Ein Drittel davon sind Konzerte, zwei Drittel Gastspiele von Kabarettisten und Kleinkünstlern. Aber finanzielle Hilfe wünscht man sich künftig doch. „Wir hoffen auf eine Neuverteilung der Subventionsgelder in naher Zukunft“, meint Herold. Schließlich habe der Tränenpalast mit seinen 35 Mitarbeitern, davon 15 festen, bislang kaum Anträge auf Kulturförderung gestellt. Über Firmenveranstaltungen konnte man sich finanzieren. Auch das, was sich nicht rentiert: junge Musik und junges Theater. Der unbestuhlte Raum eigne sich besonders für experimentelle Kunst.

Neu und schwierig ist die Situation, weil derzeit ein Restitutionsverfahren für den Tränenpalast nebst Grundstück läuft. In naher Zukunft wird die bisherige Eigentümerin, die Deutsche Bahn, den gesamten Komplex an das Land Berlin zurückgeben müssen. Den möchte der Tränenpalast dann kaufen. Borsdorf, der künftige Finanzdirektor, hat „ein gutes Gefühl“ und verweist auf die guten Beziehungen zum Kultursenat. Aber derzeit sind weder Zeitpunkt noch Preis dieses Geschäftes bekannt.

Sicher ist nur, dass der Winter kalt ist im Tränenpalast. „Das Gebäude ist absolut baufällig. Es gibt keine Wärmedämmung, und die Scheiben fangen an zu springen“, sagt Herold.