Ein Schritt zu wenig in die richtige Richtung

Am Freitag wir die Juniorprofessur Gesetz. Was fehlt, sind gerechtere Promotionsprogramme. Und großzügige Freistellungen zum Forschen

Exzellente Wissenschaftler sind sie alle drei. Nikolas, Charlotte und Amelie beherrschen ihre Disziplin und unterrichten mit Auszeichnung. Sie kennen die Universität, hier wollen sie arbeiten, forschen, Karriere machen. Alle drei sind frisch promoviert oder gerade dabei. Trotzdem wird allen Dreien der Weg zur neuen Juniorprofessur wohl versperrt. Nikolas promovierte zu lang. Charlotte ist ortsgebunden. Und Amelie muss erst ihre interdisziplinären Interessen ausbauen. Schönheitsfehler, die den Ausschlag geben.

Die Promotion ist die Schwelle zum Eintritt in die Juniorprofessur. Derzeit können sich wissenschaftliche MitarbeiterInnen an der Uni ausprobieren – um den Preis einer langen Promotionsphase. Dieses „training on the job“ in Forschen, Verwalten und Geld einwerben sollen nun „graduate schools“ ablösen, maximal dreijährige standardisierte Promotionsstudiengänge. Sicherlich, das wird Reibungsverluste mit Betreuern verringern. Aber die jungen WissenschaftlerInnen können in wichtigen „Disziplinen“ nicht mehr üben – wie man gut lehrt, (selbst-)ökonomisch verwaltet und Mittel beschafft. Möchte man auch dieses notwendige Wissen bei Doktoranden erzeugen, ist das allein über die Definition von Nettoarbeitszeiten möglich. Das würde alle Promotionswege gleichstellen, weil es nur das Kerngeschäft von Nachwuchsleuten, Forschen und Schreiben, als Diss-Zeit werten würde; und die wichtigen Sekundärtugenden von der Lehre bis zum Wissenschaftsmanagement ernst nähme, ohne den Zeitaufwand dafür zum Malus werden zu lassen. Erst in dieser Lesart kann die Bulmahn’sche Reform ihr Potenzial entwickeln.

Die Bildungsministerin will mit der Juniorprofessur die Kreativität junger WissenschaftlerInnen nutzen. Der wissenschaftliche Nachwuchs soll selbstständig forschen. Die Beispiele zeigen, dass die Juniorprofessur ein Schritt zu wenig in die richtige Richtung ist. Ohne begleitende Maßnahmen fördert die Reform den besten Nachwuchs, sondern vergeudet ihn.

Schauen wir den neuen JuniorprofessorInnen doch einmal bei der Arbeit zu: Sie sollen forschen, dafür wurden ihre Stellen geschaffen. Gleichzeitig müssen sie aber Vorlesungen und Seminare konzipieren. Sie müssen Abschlussarbeiten betreuen, an Sitzungen teilnehmen – und obendrein ihre Forschungsgruppe leiten. Wollen sie positiv evaluiert werden, müssen sie zudem neue Forschungsprojekte auflegen, Gelder einwerben – und, natürlich, publizieren. Ein interessanter Alltag. Aber keiner, der automatisch zu Exzellenz führt.

Im Gegenteil, der Alltag der JuniorprofessorInnenen führt in ein Cooling-out durch Überforderung: Das Wichtigste nämlich, die eigenen Forschungsvorhaben und das Entwickeln neuer Fragen und Ideen, wird systematisch hintangestellt. Statt HochschullehrerInnen permanent auf ihre vielfältigen Pflichten zu reduzieren, sollte man sie zur Kür ermutigen: Dass sie sich durch eigene Anstrengung für das Wesentliche ihres Jobs freistellen können, für die Forschung. Dazu sind viele ungewöhnliche Schritte denkbar: Forschungsgelder etwa, die bisher für MitarbeiterInnen und Apparate da waren, sollten die ProfessorInnen künftig auch einwerben, um sich, zeitweise, am Lehrstuhl überflüssig zu machen. Mit dem Geld könnten die jungen ProfessorInnen die eigene Vertretung finanzieren, Verwaltungsaufgaben delegieren – und sich ganz ihrer Forschung widmen. Das Gleiche ginge auch durch Stipendien. Oder der Erlaubnis, die Lehre semesterweise zu kumulieren.

Das alles sind keine Luxushäppchen für privilegierte WissenschaftlerInnen. Es sind notwendige Details einer Reform, um qualitativ hochwertige Forschung überhaupt zu ermöglichen. Denn die Humboldt’sche Idee der Verknüpfung von Forschung und Lehre hat nur dann Sinn, wenn die Forschungserträge in die Lehre einfließen. Aber nicht, wenn Lehre und Verwaltung die Forschung blockieren.

Noch ein Wort zum Reformwillen der Ministerin: Wenn es um Exzellenz geht, warum verzichtet sie darauf, das Wissenschaftsmanagement gezielt zu professionalisieren? Die in den 70ern erkämpfte Selbstverwaltung kann auf das beschränkt werden, was damals angestrebt wurde: Lehre und Forschung zu steuern. Die Organisation dieser Verfahren, die Vermarktung von Wissen, die Profilierung eines Fachbereiches oder einer Hochschule – das können Profis (besser) machen.

Es wäre falsch, die Juniorprofessur in Bausch und Bogen zu verwerfen. Allerdings braucht es gewisse Voraussetzungen, damit die Reform wirklich greift. Dessen sollte sich der Bundesrat bewusst sein, wenn er die JuniorprofessorInnen am Freitag Gesetz werden lässt. ALLMENDINGER,
EICKMEIER, KAESLER

Die Soziologin Jutta Allmendinger ist eine der jüngsten Professorinnen Deutschlands. Andrea Eickmeier forscht über Hochschulreformen, Dorothee Kaesler über „Geld und Liebe“.