„Weil es gegen Ausländer ging“

Im Prozess um den Brandanschlag in Rostock-Lichtenhagen 1992 erklären zwei Angeklagte, warum sie damals dabei gewesen sind. Eine Tatbeteiligung streiten sie jedoch vehement ab. Und mit der rechten Szene wollen sie heute nichts mehr zu tun haben

aus Schwerin HEIKE KLEFFNER

Nach mehrmaligem Nachfragen sagt es Enrico P. dann doch: „Ich bin da hingefahren, weil es gegen Ausländer ging“, erklärte der 28-jährige Angeklagte vor dem Landgericht Schwerin auf die Frage, warum er gemeinsam mit den Mitangeklagten André B. und Ronny S. und einem halben Dutzend weiterer Skinheads am Abend des 24. August 1992 von Schwerin nach Rostock fuhr.

Die ausländerfeindlichen Ausschreitungen im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen hatten bundesweit für Aufsehen und Empörung gesorgt. Neun Jahre später läuft jetzt der Prozess gegen mutmaßliche Täter, die gestern aussagen mussten.

Nach Dienstschluss bei der Bundeswehr sei „spontan“ der Entschluss gefallen, „sich das mal anzugucken“, sagte Enrico P. Er und seine Freunde seien allerdings erst gegen 22 Uhr in Lichtenhagen eingetroffen, behauptete Enrico P. vor Gericht, und da habe es im ersten Stock des von Aslybewerbern bewohnten „Sonnenblumenhauses“ schon gebrannt, während ringsum „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ gerufen wurde. Vehement bestreitet P., selbst Brandflaschen geworfen zu haben. Nach „ungefähr einer Stunde“ sei dann alles vorbei gewesen, und die Gruppe habe sich auf den Rückweg gemacht.

Heute habe er nichts mehr gegen Ausländer, sagt Enrico P. Zuvor hatte er sich pauschal bei den Opfern des Brandanschlages entschuldigt – allerdings erst, nachdem der Vorsitzende Richter zu Beginn des Verhandlungstags die Einstellungsanträge der Verteidiger wegen Verjährung zurückgewiesen hatte.

Auch Ronni S., der derzeit eine knapp dreijährige Haftstrafe absitzt, sagte vor Gericht aus, er habe sich zwar vor dem „Sonnenblumenhaus“ aufgehalten, habe aber keine Brandflaschen geworfen. Seine damalige Haltung beschrieb der gelernte Maurer „als Ablehnung gegen Ausländer und Punks, und alles, was anders war“. Doch die goldene Brücke, die Richter Heydorn dem ehemaligen Jugendwerkhofszögling mit der Frage baute, ob seine rechte Gesinnung mit seiner „sozialen Lage verknüpft war“, mochte Ronni S. nicht beschreiten. „Ich hatte doch eine Lehrstelle.“ Da Ronni S. als alkoholabhängig gilt, soll nun ein Gutachter die Alkoholmenge im Nachhinein rekonstruieren. Der ebenfalls einschlägig vorbestrafte dritte Angeklagte, André B., wollte sich gestern nicht zu den Vorwürfen äußern.

Mit den Augenzeugen hatte das Gericht bisher Pech. Ein verurteilter Rechter gilt als verschollen, eine Hauptzeugin der Anklage erschien erst gar nicht, und der wegen der Beteiligung an der Brandnacht schon im April 1993 zu drei Jahren Haft verurteilte Sven A. bestritt, dass die Angeklagten Brandflaschen geworfen hätten. Sven A. bestätigte allerdings, was diese zuvor vehement geleugnet hatten: Dass nämlich alle vor dem Plattenhaus Versammelten wussten, in dem brennenden Haus hielten sich Menschen auf. „Die Vietnamesen haben doch aus den Fenstern geguckt.“