off-kino
: Filme aus dem Archiv – Frisch gesichtet

Zum Dokumentarfilm kam Robert Flahertys eher zufällig. Zunächst als Landvermesser für die Eisenbahn tätig, hatte der Amerikaner Anfang der 10er-Jahre einen Job bei einer Minengesellschaft übernommen, in deren Auftrag er in der Gegend der Hudson Bay nach Eisenerz suchte. Bei dieser Tätigkeit kam Flaherty mit der Kultur der Eskimos in Berührung. Bei weiteren Reisen in arktische Gebiete nahm er eine Kamera mit und machte erstmals Dokumentaraufnahmen. Nachdem Flaherty zwischenzeitlich ein Buch über Eskimo-Kultur veröffentlicht hatte, kehrte er im Jahr 1920 mit dem Ziel zur Hudson Bay zurück, einen Film über das Leben der Ureinwohner zu drehen. In zweijähriger Arbeit entstand die Dokumentation „Nanook of the North“, die in ihrer Gestaltung als beispielhaft für Flahertys Gesamtwerk angesehen werden kann: Im Mittelpunkt seiner Filme stehen stets die Menschen, die sich mit einer manchmal feindlichen, stets aber sich verändernden Umwelt auseinander setzen müssen. In der Inszenierung erzielt der Regisseur Spannungseffekte, indem er dem Zuschauer oft einen Teil der Information vorenthält und die Lösung des rätselhaften Tuns seiner Protagonisten erst später nachliefert. Allerdings musste Flaherty auch Kritik einstecken: Selten filmte er das Leben der Leute so, wie er es vorfand – stattdessen brachte er seinen Helden die Bräuche ihrer Vorfahren wieder bei. So waren die Jagdmethoden der Eskimos 1922 längst nicht mehr so archaisch, wie in „Nanook“ geschildert. Auch die Jagd auf den Riesenhai, die den spektakulären Höhepunkt des 1934 auf den unwirtlichen Aran-Inseln vor Irlands Westküste entstandenen Films „Man of Aran“ ausmacht, hatte die dortige Bevölkerung eigentlich schon Jahre zuvor aufgegeben. Trotz allem waren Flahertys Werke meilenweit entfernt von den Vorstellungen der Hollywood-Produzenten, die dem Regisseur nach seinen Erfolgen mit „Nanook“ und dem Südseefilm „Moana“ (1926) die Mitarbeit an Epen anboten, die in aller Regel kaum mehr darstellten als Liebesgeschichten in exotischen Szenerien. Verbiegen ließ sich Flaherty jedoch nicht: Er überwarf sich mit seinen Finanziers und ging vorübergehend nach England. Der letzte Versuch, einen authentischen Südsee-Film zu drehen, hatte ihn 1928 mit dem deutschen Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau zusammengeführt. Doch auch bei der Arbeit an „Tabu“ hatte es Streit gegeben. Murnau vollendete den Film, dessen Bilder auch deutlich seine düster-romantische Handschrift verraten, allein.„Nanook of the North“ 3. 12.; „Tabu“ 4. 12.; „Man of Aran“ 5. 12. im Arsenal 2*** In eine etwas weniger spektakuläre Gegend begab sich Volker Koepp für seine Dokumentation „Kalte Heimat“: Im russischen Teil des ehemaligen Ostpreußen filmte er in seiner unspektakulären Art Landschaften und Menschen verschiedenster Volksgruppen. Eine in der Ukraine geborene jüdische Lehrerin singt einen polnischen Tango; die in Tilsit wohnende Gerda kocht Königsberger Klopse. Es geht um das Woher und das Wohin: Man erzählt gern von der Vergangenheit und weiß nicht recht, was die Zukunft wohl bringt. Ein Film, getragen von dem Vertrauen, das die Menschen in den Regisseur gewonnen haben.„Kalte Heimat“ 5. 12. in der Börse***Etwas völlig anderes: Mit „Ein Fisch namens Wanda“ erlebte der Komödienspezialist Charles Crichton gegen Ende seiner Regie-Karriere noch einen spektakulären Erfolg. Die von John Cleese geschriebene Farce um vier rivalisierende Juwelendiebe baut vor allem auf Charakterkomik und die Spannung, die sich aus dem Gegensatz von amerikanischer und britischer Lebensweise ergibt: So hält Otto (Kevin Kline) die London Underground für eine Rebellenorganisation und überfällt im Übrigen furchtbar gern Engländer, weil die immer so höflich sind. Am schönsten aber sind die Höllenqualen, die Tierliebhaber Ken (Michael Palin) durchleidet, als er sich daran macht, eine Belastungszeugin aus dem Weg zu räumen: Seinen Mordanschlägen fallen immer nur die ekligen kleinen Hündchen der alten Dame zum Opfer.„Ein Fisch namens Wanda“ 30. 11. im Filmtheater am Friedrichshain; 2. 12. im Delphi LARS PENNING