Der Staat entlässt seine Kitas

Ampelkoalitionäre wollen alle Kitas an freie Träger übergeben. Enorme Dissense bei Zentralabitur, Religionsunterricht und grundständigen Gymnasien. Ärger gibt es am Wochenende über Olympia

von ROBIN ALEXANDER

Alle Kindertagesstätten in Berlin sollen in die Trägerschaft von freien Wohlfahrtsverbänden überführt werden. Darauf einigten sich die Ampelpartner am Mittwoch. SPD, FDP und Grüne wollen nicht nur Kosten sparen, sondern auch eine „Vielfalt von pädagogischen Konzepten“ anbieten. Der Entschluss, alle Kitas zu übertragen, ist auch für die Fachpolitiker überraschend. In der von ihnen erarbeiteten Vorlage stand nur ein Anteil von 70 Prozent. SPD-Chef Peter Strieder erklärte, mit dem Beschluss werde die Gefahr abgewendet, „dass verbliebene staatliche Kitas nur noch zu Rest-Kitas werden, während sich die freien Träger eine gesunde Mischung aussuchen“. Die Übertragung soll Einsparungen bringen, auch wenn die Erzieherinnen vorest im öffentlichen Dienst verbleiben. Dem Senat liegt ein Angebot freier Träger vor, in dem die potenzielle Einsparung mit 200 Millionen Mark beziffert wird. Dieser Wert gilt aber als unrealistisch hoch angesetzt.

Weitere Einigungen wurden bei Bildung und Sport erreicht: Das Angebot an „verlässlichen“ Halb- und Ganztagsgrundschulen soll ausgebaut, die Spracherziehung verbessert werden. Die Schulen sollen mehr Eigenverantwortung erhalten, dazu gehören auch Personalverantwortung und ein eingeschränktes Finanzmanagement. Bäder werden geschlossen, die Anzahl steht noch nicht fest.

In wesentlichen Punkten konnten sich die potenziellen Senatspartner gestern jedoch nicht einigen: Der Religionsunterreicht als Wahlpflichtfach, die Einführung von mehr grundständigen Gymnasiun und des Zentralabiturs wurden auf spätere Verhandlungsrunden vertagt. „Wir haben eine Reihe von Dissensen, die mit unterschiedlicher parteipolitischer Programmatik zusammenhängen“, erklärte Strieder. Damit meinte der SPD-Chef: Grüne und FDP lagen sich wieder in den Haaren. Besonderer Ärger droht beim Tagesordnungspunkt Olympia, der ebenfalls erst am Wochenende entschieden wird. Die FDP hält Berlin für „olympiareif“, die Bewerbung für eine „Investition“ und die Ausrichtung der Spiele für einen „Zugewinn“. Die Grünen hingegen wollen auf keinen Fall öffentliches Geld für eine Bewerbung ausgeben. Fraktionschefin Sibyll Klotz verband mit der Olympiafrage sogar die grüne Zustimmung zum am Dienstag mühsam vereinbarten Personalkostenabbau (siehe Kasten), den die Grünen jetzt „Beschäftigungspakt“ nennen. Dieser sei nur denkbar in einer „Gesamtsituation“, in der „alles sozialverträglich“ ist. Eine Olympiawerbung zerstöre so eine Gesamtsituation, deutete Klotz an.