Traurige Nachtigall

Ein schweres Leben

Der November ist traurig. Die Tage gehen so dahin. Nun ja. Anderen geht’s schlimmer. Zum Beispiel Friedrich Steinhauer, bekannt als „Nachtigall von Rahmersdorf“. Als Kind hat er in vielen Filmen mitgespielt. Später bei Achternbusch und Praunheim. Dann kam er nach Berlin und leider klappte es nicht mit dem Durchbruch. So singt er jeden Tag in Lokalen; das „Ave Maria“ und so. Ein schweres Leben.

Wir kennen uns lange schon; manchmal treffen wir uns auf der Straße, manchmal ruft er auch an. Und wenn ich nicht da bin, nimmt das dann der Anrufbeantworter auf. Sein letzter Anruf hatte abenteuerlich und traurig geklungen: „Du wolltest doch was über mich schreiben und du hast es vergessen. Ich geb dir noch mal meine Adresse und dann tust du dich mit mir in Verbindung setzen, gell. Wir müssen uns unbedingt zusammensetzen. Weil: ich hab in einem Lokal gesungen, da in der Käthe-Kollwitz-Straße und die Leute waren so begeistert von mir, aber es hat mir kein Mensch was gegeben und da hab ich vor Wut jemandem auf die Schulter geklopft und der hat mich genommen und wie ein Paket rausgeschmissen, dass ich einen Halswirbelbruch hab und das Auge ist kaputt. Da wollten sie mich zwei Wochen zur Beobachtung ins Urban-Krankenhaus. Bin ich wieder abgehauen. Das muss ich mir doch nicht als junger Mensch gefallen lassen; ich seh ja sowieso so furchtbar aus, ich seh sowieso älter aus, als ich bin. Und dann muss ich seelisch drunter leiden, nur weil ich nicht so dick und verfressen aussehe wie andere junge Menschen. Die essen ja nicht, die fressen ja auch, oder?! Denk an mich. Bitte! Du kannst mich anrufen. Ach, geht ja nicht. Du kannst mir jetzt schreiben, okay? Sei so nett! Servus. Okay. Goodbye, Goodbye.“ DETLEF KUHLBRODT