Klonstreit im Europaparlament

316 Nein-Stimmen zu EU-Leitlinien, wieweit humangenetische Forschung gehen darf. Nur 37 Ja-Stimmen. Immer mehr Abgeordnete fürchten, im internationalen Wettbewerb nicht mitzuhalten. Ablehnung zieht sich durch alle Parteien

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Mit einem Eklat endete gestern in Brüssel die Abstimmung über den Bericht des Humangenetik-Ausschusses im Plenum des Europäischen Parlaments. Völlig unerwartet lehnten 316 Abgeordnete den Bericht ab, nur 37 waren dafür, 47 Abgeordnete enthielten sich. Damit ist der Arbeitsauf-trag des Ausschusses, Leitlinien für die humangenetische Forschung in Europa aufzustellen und so Medizintourismus und Wettbewerbsverzerrungen zu dämpfen, gescheitert.

Mehrere Ausschussmitglieder, darunter der Vorsitzende Robert Goebbels von den deutschen Sozialdemokraten, plädierten anschließend dafür, das Mandat des ursprünglich auf ein Jahr befristeten Ausschusses nicht zu verlängern. Seine Parteigenossin Evelyne Gebhardt sagte, „das Abstimmungsergebnis zeigt, dass das Europaparlament genauso gespalten und ratlos ist wie die ganze Gesellschaft“.

Tatsächlich spiegelt das scheinbar eindeutige Votum von 316 Stimmen in Wirklichkeit ein diffuses Meinungsbild. Ein Teil der Abgeordneten sieht in den Formulierungen, die der konservative italienische Abgeordnete Franceso Fiori verfasst hat, eine Behinderung für segensreiche Forschung, andere malen das Schreckbild des geklonten Menschen an die Wand. Dabei sind die vorgeschlagenen Leitlinien so klar formuliert, wie es angesichts der rasanten Entwicklung der Biotechnologie politisch überhaupt möglich ist. Fiori stellt fest, „dass man am wirksamsten und glaubwürdigsten gegen das Klonen von Menschen auftreten kann, wenn man sowohl das so genannte therapeutische Klonen als auch das so genannte reproduktive Klonen ausschließt.“

Die Debatte gestern Vormittag im Europaparlament zeigt, dass die Gruppe derjenigen größer wird, die international bei der humangenetischen Forschung nicht ins Hintertreffen geraten wollen. Die Koalitionen, die sich dabei bilden, gehen quer durch die Ländergruppen und quer durch die politischen Parteien.

So ist eine große Gruppe der Christdemokraten aus ethischen Gründen strikt dagegen, therapeutisches Klonen zu erlauben. Der spanische Christdemokrat José Maria Gil-Robles sagte: „Die Grenze, die nicht überschritten werden darf, ist die Menschenwürde.“ Sein britischer Parteifreund John Purvis fragte dagegen: „Was ist die Menschenwürde für jemanden mit Alzheimer oder Parkinson?“

Sogar bei den Grünen gibt es inzwischen eine Gruppe um den holländischen Energieexperten Alexander de Roo, die das therapeutische Klonen zulassen will. „Christliche und obskurantistische Positionen teilen wir nicht“, erklärte er gestern, während seine irische Parteifreundin Nuala Ahern warnte, dass Frauen künftig als Eispenderinnen ausgebeutet werden könnten. Diese Sorge ist nicht aus der Luft gegriffen. Die italienische Bioethikerin Cinzia Caporale berichtete vor einigen Monaten, mit Charterflugzeugen würden Frauen aus der ehemaligen Sowjetunion nach Westeuropa gebracht, damit sie Eier für Forschungszwecke spenden.

Der deutsche Kinderarzt und CDU-Abgeordnete Peter Liese appellierte kurz vor der Abstimmung noch an seine Parlamentskollegen, den Fiori-Bericht nicht durch Änderungsanträge zu verwässern: „Der Fiori-Bericht fordert einzig ein Verbot der Schaffung von menschlichen Embryonen für Forschungszwecke und jeder Art des Klonens von Menschen.“ Zwar solle europäische Forschungsförderung auf ethisch akzeptable Alternativen wie die Forschung an adulten Stammzellen beschränkt bleiben, es stehe den Mitgliedsstaaten aber frei, die embryonale Stammzellenforschung national zu fördern.