„Es wird ein Platz für uns frei“

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP-Vizefraktionschefin und Exjustizministerin, über das Sicherheitspaket II von Bundesinnenminister Otto Schily, das Versagen der Grünen als Bürgerrechtspartei und eine mögliche neue Rolle der Liberalen

Interview ULRIKE WINKELMANN

taz: Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die Grünen haben gegen das Sicherheitspaket II von Innenminister Otto Schily nichts einzuwenden. Das wäre doch die Gelegenheit für ihrePartei, sich wieder als Bürgerrechtspartei zu positionieren.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: In der Tat hat die FDP jetzt eine Chance, die sie auch stärker nutzen sollte. Im politischen Spektrum scheint gerade ein Platz frei zu werden.

Warum hat man dann kaum etwas von Ihnen gehört?

Die FDP hat sich mehrfach klar vom Sicherheitspaket distanziert. Ich habe allergrößte Bedenken, was etwa den geplanten Umfang des behördlichen Datenaustausches angeht. Auch die erweiterte Ermittlungskompetenz des Bundeskriminalamts finden wir problematisch. Für eine endgültige Stellungnahme wollen wir aber die Anhörung im Innenausschuss abwarten.

Angesichts des Tempos, das Innenminister Schily vorlegt, ist irgendein Abwarten kaum zulässig, wenn man die öffentliche Debatte noch beeinflussen will.

Wo sehen Sie denn die öffentliche Debatte? Die findet doch jenseits einiger linksliberaler Zeitungen überhaupt nicht statt! Das ist ja das Problem! Was die Abstimmung auf politischer Ebene angeht – daran hat man uns nicht beteiligt. Das ist das gute Recht der rot-grünen Mehrheit, aber deshalb ist es auch nicht unsere Aufgabe als Opposition, das bessere Konzept vorzulegen. Was die Grünen in der Mäßigung von Schily nicht leisten, das können wir auch nicht leisten.

Der große alte Bürgerrechtler der FDP, Burkhard Hirsch, hat mit seinem kritischen Aufsatz die ganze erste Bundestagsdebatte zum Paket geprägt. Und der sitzt noch nicht einmal mehr im Bundestag.

Das ist ja auch wunderbar, weiter so. Nur hat der Aufsatz leider keine Auswirkung auf die rot-grüne Haltung. Aber offensichtlich hat bei denen noch keiner wirklich begriffen, dass mit dem Paket ein Paradigmenwechsel stattfindet.

Was wird gewechselt?

Erstens wird der Schwerpunkt der Rechtspolitik zum Sicherheitsdenken verlagert, und zweitens werden die Grenzen zwischen Polizei und Geheimdiensten verwischt.

Das hat der Sprecher der FDP in der Paketdebatte, Max Stadler, so hübsch klar noch gar nicht gesagt. Bislang hat doch die FDP vor allem ihre Klientel vertreten, indem sie die Auskunftspflicht von Banken, Versicherungen und Anwälten kritisiert.

Klientel? Was hat denn das mit Klientel zu tun, wenn die Ausübung einer Reihe von Berufen in ihrem Kern beschädigt worden ist?! Wenn Anwälte ihre Mandaten verraten müssen? Da geht es um Berufsrechte! Dem kann man nicht zustimmen.

Sie stimmen aber einigen Teilen des Pakets auch zu.

Ich habe nichts gegen biometrische Merkmale im Personalausweis. Allerdings bin ich hier gegen die Einrichtung einer zentralen Referenzdatei. Ich habe auch nichts gegen die Anfrage beim Verfassungsschutz, wenn es um die Aufnahme von Ausländern geht. Abzulehnen ist hier wiederum die Verschärfung der Ausweisung. Da haben wir schon 1995/96 gegen (den damaligen Innenminister) Manfred Kanther Tage um Tage verhandelt, um ihn von der Idee abzubringen, Ausweisungstatbestände zu verschärfen. Die Grünen scheinen hier kein Problem zu sehen.

Sie haben Ende 1995 den Job als Justizministerin hingeschmissen, weil Sie den Lauschangriff nicht mittragen wollten. Was jetzt kommt, geht in der Dimension vermutlich noch darüber hinaus. Was hätten Sie sich von den Grünen erwartet?

Natürlich hätte ich von den Grünen mehr Rückgrat erwartet. Ich war schon erschrocken, wie nonchalant die mit dem Paket umgegangen sind und es als ausgewogenes Konzept bei der Vereinbarung von Sicherheit und Freiheitsrechten darstellen. Volker Beck verteidigt das Paket mit Vehemenz, nachdem es ihm lediglich gelungen ist, das rauszuverhandeln, was ohnehin vorm Bundesverfassungsgericht gescheitert wäre.