Die Zeugin weiß nichts mehr

Belastungszeugin im Lichtenhagen-Prozess wurde offenbar von Rechten eingeschüchtert

SCHWERIN taz ■ Die Zeugin der Anklage ist eingeschüchtert. An Einzelheiten der ausländerfeindlichen Krawalle von Rostock-Lichtenhagen im August 1992 will sich Yvonne V. im Prozess gegen die mutmaßlichen Täter kaum erinnern. Auf die meisten Fragen antwortete die 26-Jährige gestern vor dem Schweriner Landgericht mit Nein.

Dabei hatte sich Yvonne V. kurz nach dem Angriff auf das von Vietnamesen bewohnte „Sonnenblumenhaus“ freiwillig bei der Polizei gemeldet. Sie sei in Lichtenhagen gewesen, sagte sie damals – und schilderte detailliert, wer dort Brandflaschen und Steine geworfen habe: Die jetzigen Angeklagten Ronni S., André B. und Enrico P. sowie drei Schweriner Rechte, die 1993 wegen Brandstiftung und Landfriedensbruchs verurteilt wurden.

Außerhalb des Gerichtssaals erzählte Yvonne V. gestern, warum sie damals zur Polizei ging. Als 16-Jährige war sie manchmal dabei, wenn die Skins aus dem Schweriner Plattenbauviertel Großer Dreesch loszogen. Ihr Exfreund Frank S. gehörte auch zur Clique. Unter Anleitung des NPD-Kaders Rüdiger Klasen verübte er unter anderem im Juli 1992 einen Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim. Aufgeflogen sei alles „kurz nach Rostock-Lichtenhagen“, auch ihr Freund Frank S. wurde verhaftet, sagt Yvonne V. Daraufhin habe ihr ein „Kumpel“ geraten, zur Polizei zu gehen.

Wenn sie über die Konsequenzen ihrer Aussagebereitschaft spricht, kämpft Yvonne V. mit den Tränen. Es habe sich schnell herumgesprochen, wer bei der Polizei war. Yvonne V. sagt, sie sei deshalb 1992 mehrfach von Frauen aus dem Umfeld der jetzigen Angeklagten angegriffen worden. „Einmal haben sie mich aus der Straßenbahn gezerrt, eine hat mich festgehalten, die andere hat zugeschlagen und die Dritte hat versucht, meine Haare anzuzünden.“ Nach einem halben Jahr Bedrohung floh Yvonne V. nach Berlin. „Da war ich sicher.“ Inzwischen lebt sie wieder in Schwerin. Ob ihre Aussagen von 1992 im jetzigen Prozess noch verwertet werden können, darüber stritten gestern die Verteidiger und das Gericht. Nächste Woche soll Yvonne V. sich weiter erinnern. HEIKE KLEFFNER