Komm, lass uns brennen

„Ich mache hier meine Arbeit, und ihr tanzt“: Der katholische Buddhist und Schamane Emahó hält die Hände ins Feuer und versteht sich als Müllentsorger der Seele. Ein Selbstversuch

von ANDREAS HERGETH

Ein Freund, der therapeutisch an seiner Seele arbeitet, hatte mir von einem Schamanen erzählt, der zweimal im Jahr nach Berlin kommt und irgendwie mit Energie arbeitet. Weil mir Esoterik immer völlig suspekt war, war ich jeglichen Versuchen, auf spirituellen Pfaden zu wandeln, bislang abgeneigt. Doch ein Schamane? Ein Indianer, der einen Feuertanz vollführt? Das klang interessant und nicht gefährlich, wie ein leibhaftiger Indianerfilm. Ich denke an Lederstrumpf und Winnetou und Gojko Mitic, den Winnetou des Ostens, der gern für das Gute kämpfte.

Ich bin natürlich total aufgeregt. Alle andere wirken ganz ruhig. Ein Mann meditiert. Eine Mutter wiegt ihren Säugling. Schweizer sind da, eine Dame aus den USA, vor allem Berliner, rund 80 Menschen, junge und alte. Viele umarmen sich, man scheint sich zu kennen. Ich kenne niemanden. Ich bin nervös.

Dann kommt Emahó, der Amerikaner indianischer Abstammung mit dem Namen, „der nichts bedeutet“, auf die Bühne. Er trägt leider erst mal gar keine Indianertracht, sondern beige Hose, schwarzes Sakko, weißes Hemd, Krawatte. Zu besinnlicher Musik sucht der 53-Jährige Reihe für Reihe mit seinen Augen ab. Guckt auch mir sekundenlang in die Augen. Das ist mir peinlich. Und doch angenehm. Denn der Mann mit den grauen Haaren strahlt eine diffuse Wärme aus. Mit einfachen Worten spricht er über das Leben. Was er sagt, klingt plausibel. Obwohl ich vorhatte, jeden Satz auf esoterische Sinnverdrehungen hin abzuklopfen, muss ich plötzlich im Geiste nicken. Er redet von „Fußabdrücken“ und meint damit die von Eltern und Generationen zuvor ererbten Sehnsüchte und Sorgen, die unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmen. „Aber kaum einer kümmert sich um diese Fußabdrücke. Der westliche Mensch hat keine Zeit, guckt nur in die Zukunft.“

Stimmt wahrscheinlich, denke ich. „Und was ist mit der Seele? Die ist zur Leere, die viele in sich verspüren, mutiert.“ Ich denke an die Psychotherapeuten und ihren regen Zulauf, weil sie sich, meint Emahó, von außen nach innen zur Seele vorarbeiten. „Ich mache es genau anders herum“, erklärt Emahó, „denn das heiligste Gebet kommt nicht aus einem Buch, nicht von jemand anderem. Es kommt aus deinem eigenen Herzen.“ Eigentlich sollte es einfach sein, und doch ist es so schwer: seinem Herzen folgen, denke ich. „Das Individuum ist abhängig von anderen Menschen, doch so wie niemand für dich sterben kann, kann kein anderer für dich lachen.“

Ich bin irritiert. Auch, weil Emahós Teachings östliche und westliche Lehren und Wertevorstellungen integrieren, denn er selbst ist Katholik, studierte den Buddhismus, arbeitete als Bischof und fühlt sich seit elf Jahren zum „menschlichen Lehrer“ berufen. Wie das alles zusammengeht? Keine Ahnung. Ich bleibe trotzdem, denn ich will den Feuertanz erleben. Obwohl mir immer mulmiger wird.

Die Workshop-Teilnehmer räumen die Stühle beiseite, legen bequeme Kleidung an, manche Männer einen Wickelrock, ziehen die Schuhe aus. Emahó baut einen Altar auf. Nun trägt er indianischen Schmuck aus Knochen und Leder und sieht wie ein richtiger Schamane aus. Er weiht okkulte Gegenstände, eine Vogelkralle mit gläserner Kugel und Adlerschwingen, stellt Räucherzutaten bereit und entzündet zwei große Kerzen.

Zu indianischen Trommeln beginnt das Ritual, alle fangen an, gemeinsam zu tanzen, aufgereiht zum Karree springen wir von einem Bein aufs andere. Mir ist das anfangs unangenehm, ist das nicht albern, sich so aufzuführen? „Ich mache hier meine Arbeit, und ihr tanzt mit offenen Augen. Denn das hier hat nichts mit schwarzer Magie oder Trance zu tun“, ruft Emahó. Nach einer Viertelstunde hält der Schamane erstmals seine Hände über die Kerzen, etwa eine halbe Minute lang. Ohne sich zu verbrennen.

Aus der tanzenden Menge sucht er sich eine Frau, schlingt eine Kette um ihren Hals und führt sie zum Altar. Jetzt hat sie die Augen geschlossen. Emahó hält eine Hand erneut ins Feuer, schwarz vom Ruß legt er sie auf die Stirn der Knieenden. Er formt seine Hände wie rufend vor dem Mund, setzt sie auf den Kopf der Frau und stößt mehrmals eine Art Urschrei aus. Danach wird die Frau ins Meer der Tanzenden entlassen, das Gesicht vom Ruß geschwärzt. Nach und nach führt Emahó in einer zweistündigen Zeremonie fast alle Anwesenden an den Altar. Auch mich. Was dabei passiert, lässt sich nur schwer beschreiben. Man denkt an gar nichts, die Hände und Arme, die Ohrläppchen kribbeln, als wären sie eingeschlafen, beim Schrei durchzuckt es einen wie ein Stromschlag, danach fühlt man sich sehr leicht. Ich bin baff.

Emahó versteht sich als seelischer Müllentsorger. Er will lehren, das Herz zu öffnen, denn „das wirkliche Feuer brennt in jedermanns Herz“. Dafür hält der Schamane seine Hände ins Feuer. Als ich mit rußverschmierten Gesicht nach draußen gehe, zurück in die Welt, guckt der Pförtner ziemlich komisch.

Noch heute und morgen ab 13.30 bzw. 11 Uhr, Haus am Köllnischen Park 6–7