peter unfried über Charts
: Bloß nicht an Seeeeexxx denken!

Wie soll man sich verhalten, wenn man ein blondes, berühmtes Sexsymbol (90/60/90) trifft? Ein Erfahrungsbericht

IN Ich würde ein Sexsymbol treffen.

(Fängt klasse an, die Geschichte?)

Blond. Berühmt. Hochgetjuhnt. Alles, was dazugehört halt. Damit wir uns gleich richtig verstehen: Es handelte sich um ein rein geschäftliches Treffen. In der Öffentlichkeit. Bisschen Kaffee, bisschen Kuchen, danke und auf Wiedersehen. (Obwohl man letztlich im Leben natürlich nie weiss . . .) Dennoch war ich neben einem sicher akzeptablen, da rein beruflichen Interesse auch etwas beunruhigt. Sehen Sie: Man kann als Mann bei einer Frau so viel falsch machen. Praktisch alles.

Und tut das ja auch immer.

Was es da alles zu beachten gibt: Auf keinen Fall eine flapsige, humorige Bemerkung machen (jedenfalls nicht sofort). Auf keinen Fall in den Ausschnitt starren (allerhöchstens dezent feststellen, ob es einen gibt). Und auf keinen Fall an Sex denken! Das wäre außerdem auch nicht professionell.

Kurz gesagt: Es ist alles verteufelt schwierig. Bei einer 08/15-Frau. Bei einem Sexsymbol (90/60/90) ist es natürlich noch heikler.

*

Ich fragte einen Experten um Rat, der in seinem Leben schon zwei berühmte Sexsymbole getroffen hatte.

„Sexsymbole sind dafür da, dass man bei ihrem Anblick an Sex denkt“, sagte der Experte kühl.

Ich kaufte mir sofort Max, Bild und so weiter und schaute mir konzentriert sämtliche Fotos an. Tatsächlich: Ich dachte an Sex. Das war doch keine vernünftige Arbeitsgrundlage. Was nun?

„Soll man nicht am besten einfach ignorieren, dass man einem Sexsymbol gegenübersitzt, Stefan? Und sich vorstellen, sie sei eine hundsgewöhnliche Frau?“

Der Experte: „Völlig falsch, denn das wäre respektlos gegenüber der Arbeit eines Sexsymbols.“

Ich erfuhr: Ein Sexsymbol ist ja genau deshalb blond, berühmt, hochgetjuhnt und so weiter, damit Sex symbolisiert werden kann. Weil das Sexsymbol selbst, ihr mieser, kleiner Manager oder der liebe Gott sich das so ausgedacht haben.

Der Experte: „Du mußt die Funktion als Sexsymbol entsprechend würdigen, ohne die Frau dahinter zu verletzen oder ihr zu nahe zu kommen.“

Hm. Das wäre ja wie bei jeder normalen Frau auch, dachte ich. Zur beruflichen Vorbereitung schaute ich mir das berühmte Foto an, auf dem das Sexsymbol die Beine spreizte.

*

Wir bestellten Kaffee und Wasser. Ich wollte mich zur Sicherheit erst mal erkundigen, wie sie sich dazu stelle, dass Rühmkorf und Grass die letzten der Gruppe 47 seien, die nicht mit der Springer-Presse redeten. Dann fiel mir der Experte ein, und ich fragte stattdessen, warum sie niemals Strapse trage. Was denn ein „Fickerblick“ sei. So was halt.

Das Sexsymbol sah mich an. Verliebte sie sich gerade in mich? Äh, wie, was? Oh Gott. Musste ich antworten? War mein Mund wenigstens auch zu?

Natürlich bin ich nicht völlig blöd. Ich hatte noch eine Expertin eingeschaltet. Es sei ja alles zwecklos, aber ich solle mir dennoch darüber klar werden: „Luder“ stehe im Waidmännischen für „totes Tier“, das als Köder für Raubwild verwendet wird.

Das Sexsymbol zupfte an ihrem T-Shirt. Was zupfte die denn dauernd? Es gab gar nichts zu zupfen. Saß ja alles. Supereng. Superperfekt. Superausschnitt. Sie zupfte und spielte auch dauernd an ihren Haaren. Wirkte irgendwie ein bisschen overdone.

Die Expertin: Verweigerung sei die einzig angemessene Reaktion auf Menschen, die vorgeben, etwas zu symbolisieren, denen es in Wahrheit aber nur noch um eigene ökonomische Vorteile und die Befriedigung eigener niederer Instinkte gehe. Oder derer ihres miesen, kleinen Managers. Aha. Es war also letztlich wie bei den Grünen.

Das Sexsymbol fuchtelte ständig mit den Händen. Dabei haute sie sich dauernd auf die Brüste. Ich tat natürlich, als ob ich das nicht bemerkte. Notierte heimlich: „Aha. Der Nachteil ist: Man haut sich beim Fuchteln dauernd selber drauf.“ Es sah irgendwie komisch aus.

OUT Nach dem Verlassen des Cafés eilte ich zum Experten.

„Und?“

„Klug, bodenständig, ironisch. Supersympathisch. Hübsch. Eine perfekte Frau. Eigentlich.“

„Aber?“

„Ich musste kein einziges Mal an Sex denken. Sie war einfach zu . . . real.“

Der Experte nickte wissend.

„Musst du das bei einer anderen echten Frau?“

Was sollte die Frage? In welcher Zeit leben wir denn? Wozu war ich da hingerannt?

Der Experte kramte das berühmte Bild hervor. „Na?“

Ich dachte sofort daran.

Da klopfte er mir auf die Schulter und sagte: „Alter! Hast du’s jetzt kapiert?“ Ich kapierte nichts. Ich ahnte nur: Nichts war mehr so, wie es früher war.

Danach sahen wir uns schöne Heftchen an und betranken uns.

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