Der Niedergang des Hugo Chávez

Venezuelas Präsident bekommt zunehmend Probleme mit Unternehmern, Gewerkschaften und den USA. Seine Beliebtheit bei der Unterschicht, die ihm zum Präsidentenamt verhalf, schwindet. Aber eine politische Alternative ist derzeit nicht in Sicht

aus Santiago TONI KEPPELER

Langsam aber sicher wird Hugo Chávez in die Enge getrieben. Der mächtigste Unternehmerverband Venezuelas hat dem Staatspräsidenten für den 10. Dezember angedroht, die Fabriken zu schließen. Auch die Gewerkschaften drohen mit Massenstreiks. Die politische Opposition und die Kirche hat Chávez längst gegen sich aufgebracht. Neuerdings scheint es auch in der Armee zu knirschen. Eine Geheimorganisation mit dem Namen „Nationale Notstandsjunta“ meldete sich in den vergangenen Tagen gleich mehrfach zu Wort und drohte unverhohlen mit einem Staatsstreich. Sie behauptet, sie werde von großen Teilen des Offizierskorps unterstützt.

Auch die USA, die drei Jahre lang die antikapitalistischen Tiraden von Chávez und seine Staatsbesuche im Irak, in Lybien und in Kuba ignoriert hatten, deuten nun die Möglichkeit eines Wirtschaftsboykotts an. Die Drohung wiegt schwer. Die USA sind der Hauptabnehmer des wichtigsten Exportprodukts: Erdöl. Anfang der Woche kündigte das US-Außenministerium an, venezuelanische Güter würden nicht wie die aus anderen Andenstaaten einen bevorzugten Zugang zum US-Markt bekommen. Präsident George W. Bush ist sauer, weil Chávez ihn aufgefordert hatte, dem „Abschlachten von Unschuldigen“ in Afghanistan Einhalt zu gebieten.

Chávez’ Beliebtheitswerte, die einst die 80-Prozent-Marke locker überschritten, liegen heute bei nur noch knapp 50 Prozent. Erst vergangene Woche versuchten Chávez-Anhänger, eine Demonstration von Chávez-Gegnern zu stürmen – es folgte eine Straßenschlacht im Zentrum von Caracas mit Dutzenden von Verletzten.

Menschenrechtsorganisationen zählen durchschnittlich 100 Anti-Chávez-Kundgebungen im Monat. Ähnlich hohe Werte schaffte nur Präsident Carlos Andrés Pérez in seiner zweiten Amtszeit (1989 bis 1993), der wegen Veruntreuung von Staatsgeldern vorzeitig abgesetzt wurde. Chávez droht angesichts der Unruhen mit der Verhängung des Ausnahmezustands. Die Mehrheit der Armen hatte Chávez Ende 1998 zum Präsidenten gemacht, in der Erwartung, dass es ihnen besser gehen werde. Das ist nicht eingetreten. Die Unternehmer, erschreckt von den antikapitalistischen Reden des Präsidenten, schafften ihr Kapital ins Ausland. Zehntausende von Arbeitsplätzen gingen verloren. Chávez versuchte, den Verlust durch staatliche Sozialprogramme aufzufangen. Er konnte dies finanzieren, weil der Erdölpreis von 7 auf über 30 Dollar pro Barrel explodierte. Doch mit der jetzigen Rezession in den USA ist der Ölpreis eingebrochen.

Eine politische Alternative ist nicht in Sicht. Die Traditionsparteien wurden von der Chávez-Bewegung in die Bedeutungslosigkeit gedrängt. Am erfolgreichsten ist derzeit eine Partei mit dem Namen „Gerechtigkeit zuerst“, ein Zirkel von Yuppies aus den guten Wohngegenden, die Venezuela am liebsten genauso verwalten würde wie den eigenen Betrieb. Nicht eben eine Alternative für die verarmte Mehrheit.

Die Proteste gegen Chávez werden eher zu- als abnehmen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Präsident irgendwann seine Drohung wahr macht und den Ausnahmezustand verhängt. Die Frage ist, wie sich dann das Militär verhält.