Berliner Burka-Krieger

Das afghanische Ganzkörper-Kleidungsstück tritt den Siegeszug durch die Modewelt an

Im Westen haben wir es schon lange mit einer „Talibanisierung auf hohem Niveau“ zu tun

Noch nie war die Frauenbefreiung so schön: Burka runter, und fertig! Immer mehr Allianzsoldaten, NGO-Söldner und Topjournalisten in Afghanistan sammeln abgelegte Burkas. Schon gibt es in Kabul Dutzende von Ständen, wo sie sich mit diesem „Symbol der Frauenunterdrückung“ preisgünstig eindecken können – als eine Art Siegestrophäe. Ein italienischer Korrespondent erwarb gerade sage und schreibe 17 Stück: „Für meine Kollegen daheim, morgen fahre ich nach Mailand zurück.“ Es gibt bereits erste Ansätze für eine neue Burkaindustrie im Süden Kabuls: „Wir produzieren aber nur für den Export beziehungsweise für Berater aus dem Westen“, versichert einer der tadschikischen Geschäftsführer. Was der Teddybär für die Berlintouristen, ist bald die Burka für die Afghanistan-Schlachtenbummler.

In der Kosmetikabteilung des Berliner KaDeWe sah ich eine Frau, die einen neuen Lippenstift ausprobierte. Ihr Mann stand daneben; statt ein ästhetisches Urteil abzugeben, runzelte er nur die Stirn und muffelte: „60 Mark ist zu teuer.“ – „Du bist ja schlimmer als die Taliban“, giftete sie prompt zurück. Ähnlich lautete ein Dialog in den Galeries Lafayette, wo zwei ältere Ehefrauen von Managern der Berliner Landesbank sich einig waren: „Wenn es nach unseren Männern ginge, würden wir nur noch in Burkas rumlaufen!“ Und eine andere Frau meinte dort zu einem verständigen Verkäufer: „Ich muss endlich mal raus aus meiner Burka – und wenn mein Mann durchdreht!“ Umgekehrt meinte ein junger Kulturwissenschaftler dort zu seinem Freund an der Sekttheke, als eine junge Frau in einem hellblauen Sackkleid aus Seide an ihnen vorbeihuschte: „Was ist denn das für ’ne Burka-Schlampe?!“

Die Emanzipation der afghanischen Frauen ist nicht aufzuhalten, und deswegen darf es niemanden verwundern, wenn sich im Westen nun jede Menge „Trittbrettfahrer“ (Otto Schily) an ihre Befreiung hängen. Zumal dies – anders als bei den ganzen „Anthrax-Stellern“ – weitgehend straffrei bleibt. Im Berlin-Friedrichshainer Bordell „Lord Gabriel“ laufen die vorwiegend ukrainischen Prostituierten jetzt ebenfalls, statt oben ohne, mit einer Burka – ohne was drunter – herum. Der Kassierer am Eingang erklärt dazu unaufgefordert, dass es sich dabei um echte afghanische Textilien handelt, die sein Chef aus Moskau von den dortigen Exilafghanen bezogen habe. Hundert Prozent reine Baumwolle, „aber Sie müssen natürlich nicht die Katze im Sack kaufen“, versichert er treuherzig.

Ähnlich Verruchtes hauchte mir auch eine Dame auf einer kleinen improvisierten rheinischen Frohsinnsparty am Berliner Schiffbauerdamm ins Ohr, die sich – wie vier andere Rheinländerinnen an diesem Abend ebenfalls – als „Taliban-Afghanin“ verkleidet hatte, wobei diese Frauen jedoch ihre Burkas gleich unterhalb des Arsches abgeschnitten hatten, also quasi Miniburkas trugen. Eine, die sich Leila nannte, hatte sich zudem zwei Gesichtsgitter vor ihre Brüste genäht. Überhaupt ist schon jetzt unverkennbar, dass heuer in der Karnevalshochburg Berlin die Taliban und ihre Sittengesetze zum Partyknüller avancieren werden; neben Burkas für die Frauen sind das Plastik-Kalaschnikows und -Patronengurte sowie viele falsche Bärte für die Männer.

Wenn der letzte Erziehungsminister der Taliban deren Frauenunterdrückung damit erklärte, dass man ja „eine Rose im Blumentopf auch nicht mit nach draußen nimmt und jedem zeigt“, dann haben wir es selbstverständlich hier in Westeuropa und in den USA schon lange mit einer „Talibanisierung auf hohem Niveau“ zu tun. Ich rede nicht vom Sat.1-Moderator Meyer, der seiner Braut Georgia Tornow eine Rose für 500.000 Mark schenkte, die ihren Namen trägt, sondern von all jenen reichen,   alten   Arschlöchern in Berlin-Zehlendorf,  -Dahlem, -Wilmersdorf und in Klein-Machnow, die sich eine junge, schöne Russin oder Thailänderin leisten und nun plötzlich spüren, wie eine urafghanische Eifersucht in ihnen hochsteigt, besonders dann, wenn junge Männer auf der Straße und im Café ihren Frauen nachschielen oder sogar -stellen, womöglich noch mit Bemerkungen wie: „Ey, schick doch bloß deinen Sugardaddy nach Hause!“ Auf Dauer passiert aber oft genau das Gegenteil: Die Ehemänner lassen ihre Frauen zu Hause, ja sperren sie sogar immer öfter ein, wenn sie weggehen. Außerdem verbieten sie ihnen, allzu freizügige Kleidung von ihrem Geld zu kaufen oder wenigstens außer Haus zu tragen. Kein Wunder, dass diese Frauen umgekehrt alle Kleider, die weniger als 2.000 Mark kosten, geringschätzig als „olle Burkas“ abtun. Viele der hiesigen Thailänderinnen und Russinnen sind sowieso sehr markenbewusst. Im Endeffekt bekommen wir es jedenfalls hier bald mit einer unbarmherzigen Talibanisierung des Geschlechterkampfes zu tun, wenn wir nicht sogar schon mittendrin stecken! HELMUT HÖGE