Kölle, helau

Borussia Dortmund erweist sich beim 2:0 in Köln als komische Mannschaft. Und als heißer Titelkandidat.

KÖLN taz ■ Es gibt Spiele, da weiß man vorher schon, wie es ausgehen muss. So wie Köln-Dortmund. Wie anders als Borussia sollte der Sieger heißen! Denn der FC verlor die letzten vier Heimspiele – warum sollten sie ausgerechnet gegen den BVB reüssieren, der sechs seiner sieben Auswärtspartien gewann? Unmöglich, zumal Partien Unten gegen Oben in dieser Saison generell merkwürdig überraschungsfrei ausgehen. Hinzu kommt die These des Exkölner Mittelfeldstars Herbert Neumann. Der sagt, es ist gar nicht unbedingt wichtig, gegen wen man spielt, sondern vor allem wann. Ob man selbst nicht recht weiß, wo man steht, oder der Gegner eine gute Phase hat. In diesem Falle ging es gegen das Selbstbewusstsein schlechthin: BVB.

Und bitte: Dortmund gewann 2:0. Aber es war, und hier beginnt der Klärungsbedarf, laut BVB-Coach Matthias Sammer „ein komisches Spiel“. Und das war gar nicht falsch. Denn Köln war engagierter, bissiger, hatte mehr und bessere Chancen, meist auch die richtige Mischung aus Geduld und Power. Trainer Ewald Lienen hatte nachher „Chancen en masse“ gesehen, sprach von „Riesendruckphasen“, in denen sein FC den „Gegner eingeschnürt hatte“. Das war mal wieder mal lienenesk übertrieben, aber dicht an der schlichten Wahrheit war er schon: „Dortmund ist eben so effektiv.“ Oder, um ditodicht an Sammers Worten zu bleiben: Verantwortlich für komische Spiele ist Dortmunds komische Mannschaft.

Dortmund gewinnt schon seit Wochen seine Spiele mit Duselgarantie nach gern uninspiriert wirkender Vorstellung. Lässig und müde wirkten sie auch in Köln und manchmal verunsicherbar. Aber das schien nur so. Ihr ausgeschlafener Manager Michael Meier erkannte zu Recht: „Köln hat ganz gut gespielt, aber als die ersten Pfeile von uns kamen, haben sie es mit der Angst bekommen. Alle denken an unsere Auswärtsstärke. Da fehlt dir dann der Glaube.“ Der BVB 2001 als Ansammlung von Giftspinnen: Schwarze Witwen (hier: Schwarz-Gelbe Witwer), die weiträumig ihr unsichtbares und scheinbar harmloses Netzwerk spannen, eiskalt ihr Terrain verteidigen, auf Beute lauern – und dann, zack, ihr letales Gift verspritzen.

Komisch wirkte indes, wie intensiv Motzki Sammer nach dem Erfolg moserte. „Unbegreiflich“ sei ihm „diese Art und Weise“, wie man in der zweiten Halbzeit „die Ordnung verloren“ habe. Dieser zeitweilige Schlendrian, allein „diese Tänzchen“ der Brasilianer nach den frühen Toren seien Ausdruck davon: „Das ist nicht meine Mentalität.“ Dennoch: Wenn Spitzenteams diejenigen sind, die auch die schlechten Spiele gewinnen, ist dieser abgebrühte FC Bayern des Ruhrgebiets ein ganz heißer Titelkandidat.

Dass Köln nicht traf, nutzte BVB-Manager Meier nachher zu einem cleveren Verkaufsgespräch. Man habe doch „gesehen, dass den Kölnern ein Knipser fehlt“. Hintergrund: Meier hat Fredi Bobic im Angebot, den überzähligen Stürmer. Köln ist interessiert. Aber Dortmund will zuviel Geld. Also hatte Meier Anlass, sich um Köln zu sorgen. „Wir werden vielleicht noch mal über Bobic reden.“ Ein Transfer würde zum Köln-Modell passen: Statt eines neuen Trainers (dem nach wie vor gehuldigt wird) lieber neue Spieler. Marc Zellweger und besonders der giftige (!) Grätscher Rigobert Song aus Kamerun (der einzige Bundesligagegner der DFB-Elf bei der WM) sind wirkungsvolle Verstärkungen, was beide auch am Samstag belegten.

Erfrischend gemein waren die zahlreichen Dortmunder Fans, die in der zweiten Halbzeit minutenlang „Kölle, helau“ sangen. Eine Demütigung der kölschen Seele, zur fünften Heimpleite in Folge auch noch mit Düsseldorfer Vokabular belästigt zu werden. Nach dem Abpfiff dröhnte BAP durchs Stadion: Aff un zo gehe halt was daneben ... In diesem Fall: Aff un zo zu oft. Aber, kleiner Trost: Der 1. FC Köln verbesserte sich um einen Platz in der Tabelle, weil die Nürnberger höher verloren. Der von seiner Struktur her sofort euphorisierbare Kölner an sich wird das als richtungsweisende Trendwende ansehen. Kölle, alaaf.

BERND MÜLLENDER