Eine gläubige Frau gesucht

Islamische Heiratsanzeigen in Deutschland: Praktizierende MuslimInnen tun sich schwer damit, einen Partner oder Partnerin in ihrer direkten Umgebung kennen zu lernen. Veranstaltungen in Moscheen und Vereine sind nach Geschlechtern getrennt

von MONA NAGGAR

Angelika ist 55 Jahre alt. Vor vielen Jahren ist sie zum Islam übergetreten. Nach zwei gescheiterten Ehen wollte sie es nochmal versuchen. Sie antwortete auf eine Anzeige in Al-Islam. In dieser Zeitschrift für deutschsprachige Muslime, die das Islamische Zentrum in München herausgibt, werden auf der letzten Seite regelmäßig Heiratsgesuche von muslimischen Männern und Frauen abgedruckt. Angelika war klar, dass sie einen muslimischen Mann wollte. Immer wieder hatte sie sich die Anzeigen durchgelesen: „Teilweise enthielten sie irrationale Wünsche, z. B. ein 50-jähriger Mann sucht eine 25-jährige Frau. Häuslich ist eine sehr beliebte Eigenschaft. Aber ich habe auch zwischen den Zeilen gelesen: Was da stand, lief auf eine sehr anpassungsfähige Ehefrau hinaus. Das ist nicht mein Weg.“ Aber dann war doch eine Anzeige, die sie angesprochen hat. Sie war humorvoll formuliert. Angelika schrieb einen langen Brief. Er blieb unbeanwortet.

Khalil ist 56 Jahre alt. Vor zwei Jahren lernte er über in Al-Islam eine acht Jahre jüngere deutsche Muslima kennen. Khalil hatte Schwierigkeiten, eine muslimische Frau in seiner Umgebung kennen zu lernen. Er antwortete auf eine Anzeige und war nach zwei Monaten verheiratet.

Die Zeitschrift Al-Islam ist nur einer von vielen Anbietern islamischer Heiratsannoncen in Deutschland. Unter der Internetadresse www.Islamische-Zeitung.de findet man viele Kleinanzeigen, darunter auch Heiratsgesuche. Dort inseriert beispielsweise Rachid. Er ist 25 Jahre alt, studiert Fahrzeugtechnik in München und stammt aus Marokko. Rachid schreibt ausdrücklich, dass er keine Ehe wegen der Staatsbürgerschaft schließen will. Er sucht eine Frau, mit der er zusammen für den Islam arbeiten kann und wo „man die Zufriedenheit findet“. Kontaktmöglichkeit besteht über E-Mail. Auf die Frage, warum Rachid eine muslimische Frau über eine Anzeige im Internet sucht, antwortet er, dass er nicht einfach zu einer Muslima gehen und sagen könne, er wolle sie heiraten. Die Religion und die Tradition gebieten Distanz. So sei das Internet ideal: „schnell, aber weit“.

Sehr beliebt ist die Rubrik Heirat auf den Internetseiten von www.muslimmarkt. de, die zahlreiche Serviceleistungen für deutschsprachige Muslime anbietet. Dort sucht beispielsweise eine 27-jährige Deutsch-Iranerin mit fundierter islamischer Ausbildung einen gottesfürchigen Lebenspartner, mit dem sie eine islamische Familie aufbauen will. Oder ein Deutscher algerischer Abstammung möchte gerne eine aufrichtige, gutherzige und gläubige Frau zur Ehe. Die Antwort erfolgt auf Chiffre. Die Redaktion bekommt jede Woche ungefähr 30 Zuschriften.

Yavuz Özogus von Muslimmarkt meint, dass Muslime in Deutschland zu dieser Form der Partnersuche greifen, weil sie weit verstreut leben. Außerdem sei das westliche Modell, bei dem die Liebe im Moment der Hochzeit den Höhepunkt erreicht und danach nur noch weniger werden kann, von Muslimen nicht akzeptiert. Das muslimische Modell formuliert er so: „Zwei Menschen versuchen sich zu finden, die gemeinsam auf Gottes Weg schreiten möchten und dabei unentwegt ihre Liebe zueinander weiterentwickeln.“ Özogus stellt fest, dass es einen deutlichen Überschuss an jungen Männern gibt, die sich an Muslimmarkt richten.

Auch das islamische Frauennetzwerk Huda führt Heiratsvermittlungen durch. Renate, die die Interessenten betreut, hat beobachtet, dass vor allem jüngere Männer um 30, die nie verheiratet waren, eine Ehefrau suchen. Die Frauen seien meistens über 40, oft waren sie schon verheiratet, wollen es trotzdem nochmal versuchen, wüssten allerdings genau, was sie wollen oder was sie nicht wollen. Dieser Unterschied mache es schwierig die passenden Leute zusammenzubringen. Bevor die Interessenten durch Huda vermittelt werden, müssen sie einen ausführlichen Fragebogen ausfüllen. Wenn die Vermittlerin meint, dass eine Frau und ein Mann eventuell zusammenpassen, dann gibt sie die Daten an die Interessenten weiter. Im Fragebogen werden detaillierte Fragen nach dem Aufenthaltsstatus in Deutschland gestellt, nach der Einstellung zu der Religion, zu den Kinderwünschen oder zu der Haushaltsführung. Männer sollen die Frage beantworten, ob sie ihrer zukünftigen Frau erlauben, nach der Heirat einer Arbeit außer Haus nachzugehen. Die Frau wird gefragt, ob sie einer beruflichen Tätigkeit nachgehen will. Sehr wichtig scheint die Kleiderfrage zu sein: „Viele Männer legen großen Wert darauf, eine Frau mit Kopftuch zu heiraten“, sagt Renate.

Ein heikler Punkt ist die Polygamie. In der Regel weisen die islamischen Heiratsvermittler daraufhin, dass sie den deutschen Gesetzen entsprechend keine Zweitfrau vermitteln. Im Huda-Fragebogen werden die Männer um ihre Einstellung zu der Polygamie gebeten. Und die Frauen werden nach ihrer Bereitschaft gefragt, eine weitere Ehefrau zu dulden.

Die meisten muslimischen Männer, die die Vermittlung in Anspruch genommen haben, begnügen sich mit einer Frau. Aber es soll unter den Frauen, auch unter deutschen Muslimas, einige geben, die nichts dagegen einzuwenden haben, Zweitfrau zu sein. Mit der Hilfe von Huda können sie dabei allerdings nicht rechnen.