Die Berliner Grünen blinken weiter mit

Die Bildung des Berliner Ampelbündnisses geht trotz einer Drohung der Grünen weiter: SPD und FDP setzten sich durch. Grüne Kernpunkte bleiben nicht „unverhandelbar“. Justizsenator Wieland: „Kuh ist noch nicht vom Eis“

BERLIN taz ■ Der Überraschungseffekt lag wieder bei den Grünen.

Nachdem der kleinste Partner in einer potenziellen Ampelkoalition am Samstagmorgen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und FDP-Chefunterhändler Günter Rexrodt mit einer Liste von sechs „unverhandelbaren“ Punkten geschockt hatte, wartete Berlin gestern, ob die Grünen ihr „Ultimatum“ durchhielten: Sie würden nur weiterverhandeln, wenn SPD und die FDP anerkennen, dass die sechs Forderungen aus den Bereichen Schulpolitik und Verkehr „gesetzt“ seien. Weder die SPD, die inhaltlich den grünen Punkten nahe steht, noch die FDP mit ihren gegensätzlichen Vorstellungen sahen sich in der Lage, diesen Schritt zu tun.

Wowereit ließ bestellen, er erwarte den Fortgang der Verhandlungen Sonntag 15 Uhr. Meinte: Die Grünen erscheinen oder die Ampel ist gescheitert. Und die grünen Unterhändler erschienen pünktlich, nachdem sich die zehnköpfige grüne Verhandlungskommission in interner Auseinandersetzung auf Rücknahme des Ultimatums verständigt hatte. Der grüne Justizsenator Wolfgang Wieland erklärte das Manöver seiner Partei so: „Die sechs neuralgischen Punkte gehen jetzt zwar in die Schlussdiskussion. Wir können uns aber nur schwer vorstellen, dass wir sie uns abhandeln lassen.“ Die Verhandlungskommission habe eine „Vielzahl von inhaltlichen Dissensen“ festgestellt. Wieland, der als entschiedener Befürworter der Ampel gilt, warnte gestern: „Die Kuh ist noch nicht vom Eis!“

Der im Gewande des potenziellen Koalitionspartners daherkommende politische Gegner hatte sich vorher schwer entsetzt über die Grünen gegeben: „Ich habe zwanzig Nächte in Brüssel durchverhandelt. Ich habe in Singapur und Marrakesch WTO-Verhandlungen geführt und in Bonn Koalitionen mitgeschmiedet. Aber so etwas habe ich noch nicht erlebt!“, berichtete Günter Rexrodt der taz.

Auch unabhängige Beobachter der Koalitionsgespräche rätselten über die grüne Verhandlungsführung. Neben echten Meinungsverschiedenheiten, etwa in der Schulpolitik, enthielt die „unverhandelbare Liste“ Vetos gegen Vorhaben, die ohnehin wenig realistisch erscheinen. Dazu gehört der Bau der „Kanzler-U-Bahn“ und einer privat finanzierten Schnellstraße sowie eine BerlinSer Olympiabewerbung. ROBIN ALEXANDER

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