straight aus dem medienpark
nachrufhektik in den berliner redaktionen
: „Sanft weinen die Gitarren“

Der Tag, an dem George Harrison starb, das war kein leichter Tag in den Redaktionen dieser Stadt. Wie immer, wenn eine richtige Berühmtheit stirbt, mussten auch in den Zeitungen Berlins Urlaube abgebrochen werden und Journalisten unter Druck geraten, damit es anderntags zu einem ordentlichen Nachruf komme. Man kann sie sich bildlich vorstellen, die armen Praktikanten, die beispielsweise im Springer-Haus an den Telefonen saßen und angehalten waren, „ein paar O-Töne einzufangen“. In der B.Z. („Der stille Beatle – er ging ganz leise“), die nicht mit Harrison titelte, dafür aber auf der Rückseite mit einem Beatles-Poster bestach, schlug sich dies wie folgt nieder: Petra Kockirtz, 42, Juristin, erinnerte sich bei der schlechten Nachricht an ihre Jugend, Verban Varbanov, 62, Musiker, spielte an seinem Flügel alte Beatles-Lieder, Ben Becker, 36, Schauspieler, fand, dass es wehtut, und Udo Jürgens, 67, Schlagerstar, ging es nahe.

Dagegen ging es beim Berliner Kurier weniger proletarisch zu. Man beließ es bei den üblichen Verdächtigen Queen, Blair, Bush usw., was wiederum zum Titel („Bye, bye Beatle George“) passte: Hier wählte der Kurier ein Bild der Beatles bei der Verleihung der Medaille „Member of the Order of the British Empire“ durch das englische Königshaus 1965. Lauter autoritäre Charaktere und heimliche Monarchisten in den Redaktionen des Kurier?

Feinfühliger in der Auswahl prominenter Stimmen verhielt sich die Bild („Sanft weinen die Gitarren“ und „Danke, George, für deine Lieder“): Frank Laufenberg, bekannt als Autor des „Rock & Pop Lexikons“, gefiel sich in Alliterationen: „Bemerkenswert sein Engagement für das bettelarme Bangladesch.“ Und Hans-Olaf Henkel, früher hübsch anzusehen, heute gezeichnet durch seine Funktion als Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, meint, und das darf man tatsächlich rührend finden: „Wir hatten ja damals alle den gleichen Freiheitsdrang.“

Vergleicht man allerdings die Reaktionen der sozialistischen Tageszeitung Neues Deutschland mit denen der anderen, so fragt man sich: Was war eigentlich in der DDR mit den Beatles? Keine Ankündigung auf der ersten, kein Artikel auf der dritten Seite, kein Poster, nichts. Ach doch! Im Feuilleton unten links ein kleiner Nachruf. Der Zivilisationskritiker David Mendel meint, die Beatles seien eine tolle „Formation“ gewesen, besonders angesichts der „durchgestylten Marionetten in den Labors der Unterhaltungskonzerne“ heutzutage.

SUSANNE MESSMER