jenni zylka über Sex & Lügen
: Lieblingsstellungen für die Einsamkeit

Man steckt ja nicht drin: Die Vorlieben im Bett sind nicht zu verstehen – schon gar nicht bei anderen

Wenn ich vier Stellungen auf eine einsame Insel mitnehmen könnte, okay, da gäbe es nicht so viele Partner zum Turnen – aber wenn ich für den Rest meines Lebens mit vier Stellungen leben müsste, die chinesische Schubkarre wäre garantiert nicht dabei.

Nicht, dass ich nicht gelenkig bin; oh nein, ich komme zum Beispiel in jeder Lebenslage an das Anti-Asthma-Dosier-Aerosol im Geheimfach meiner Handtasche. Und sowohl Herren- als auch Damenspagat führe ich in der Seniorenversion aus. Aber die chinesische Schubkarre, so wie ich sie mir vorstelle, erfordert zu viel Konzentration auf die Armmuskulatur, jedenfalls für den/die, der/die angeschoben wird. Zur Erinnerung: Bei der Schubkarre steht einer und sieht so aus, als würde ihm ein siamesischer Zwilling aus der Leibmitte wachsen, das ist der andere, der ihm die Beine um die Hüften schlingt und sich mit den Armen unten abstützt.

Damit hätten wir auch schon das erste Problem bei einem regen Stellungswechsel: Kann man solche Erklärungen überhaupt abgeben, ohne die Stimmung abzutöten? Ist es möglich, komplizierteste Positionswünsche mit einem erotisierenden Unterton zu gurren? Vielleicht ja, manche stehen drauf, manche helfen sich auch ohne Worte und biegen Arme, Beine und sonstige bewegbare Körperteile mit sanftem Druck in die richtige Richtung. Aber was passiert, wenn sich herausstellt, dass der Partner, die Liebhaberin schon bei einfachen Wechseln schlappmacht und eindeutig nur noch aus Schmerz quietscht und stöhnt?

Wildes Herumgehüpfe im Bett wird überbewertet, so der Tenor der aktiven StellungskriegerInnen in meinem Bekanntenkreis. Die meisten Auskunftswilligen konnten sich einigen auf 1. den Missionar, 2. à dada, 3. irgend so eine verschlungene Halb-und-halb-Stellung, die ich einfach mal „Gemüsesalat“ nennen möchte, und 4. die „Liebesschaukel“ (Damen) und den „Dreifuß“ (Herren). Wobei die Liebesschaukel wohl eine fixe Idee im kollektiven weiblichen Gedächtnis ist: Kaum eine hat sie je gemacht, man kennt sie nur aus Pornos. Dafür bräuchte man nämlich eine extra Vorrichtung aus Haken an der Decke und ganz bestimmten Schlaufen, in die man seine Beine bequem einhängen kann. Die Befragten konnten sich jedoch nicht mal einigen, ob man solche Dinge bei Beate Uhse oder im Baumarkt kriegen kann. Oder bei Obi.

Der Dreifuß ist eine der weniger anstrengenden Steh-Stellungen, bei der ein Partner, meistens der mit den kürzeren Beinen (also er oder sie, je nachdem ob man mit Nadja Auermann oder Martin Semmelrogge ins Bett geht), im Stehen ein Bein um die Hüften des anderen schlingt. Das Kamasutra, bekannt für seine besonders charmante Etikettierung der Menschentypen in „Reh, Stute, Elefant“ (für Frauen, je nach Yoni-Tiefe) und „Hase, Stier, Pferd“ (für Männer, je nach Lingam-Länge), nennt das den „abgestützten Geschlechtsakt“. Das Kamasutra verbietet übrigens, Stellungen im Wasser zu vollziehen (so ein altindischer „Ladies Love“ namens Vatsyayana). Wahrscheinlich würde man zur Strafe sofort eine Sex-Kaste runtergestuft und dürfte nur noch mit nichtkompatiblen Geschlechtspartnern in ganz besonders schwierigen Stellungen ächzen: Der Hase muss mit der Elefantenkuh das „Spalten eines Bambusses“ üben, das Reh das Pferd zum „Einschlagen eines Nagels“ benutzen, aua. Auch zu ungewöhnlichen Orten wie Besen- bzw. Reiskammern, Autos und Flugzeugtoiletten hält sich die „Grammatik der Liebe“ zurück.

Aber Flugzeugtoiletten sind ebenfalls so eine fixe Idee. Ob wirklich schon einmal jemand (außer Emanuelle) Sex im Flugzeug hatte? Und zwar nicht im Cockpit? Dort geht ja so einiges, glaubt man dem denunziatorischen Selfmade-Video von diesen beiden bösen Türkeitouristinnen, die sich während des Fluges bei Pilot und Kopilot auf den Schoß setzten und den schnauzbärtigen Kapitän „I’m the best pilot in the world!“ in die Kamera prosten ließen. Doch welche Stellung könnte wohl in der nach halb verdautem Tomatensaft, Zitronen-Erfrischungstüchern und Desinfektionsseife duftenden Enge eines grauseligen Flugzeugklos funktionieren? Der Doppelkrebs? Die Bonsaibanane?

Aber man steckt nicht drin. Ich habe definitiv zu wenig Schlangenmenschen, BodenturnerInnen und Gummiknochentypen, aber zu viele bodenständige Westfalen und Berlinerinnen in meinem Bekanntenkreis, um den Verzicht auf die chinesische Schubkarre als öffentliches Interesse zu bezeichnen. Also wird weitergeknotet. Wer weiß, vielleicht komme ich ja auch noch auf den Geschmack. Gegen den tadschikischen Regenkreisel, sauber ausgeführt, habe ich schließlich nichts.

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